Mittwoch, 8. November 2023

Novemberwochenende in Berlin

Meine Gage vom diesjährigen Theaterspielen habe ich gespart. Als Belohnung für die viele Arbeit wollte ich damit etwas Schönes nur für mich machen.

Dann trudelte die Ankündigung zur "Blogfamilia" ein, der Bloggerkonferenz für Familienbloggerinnen und -blogger. Die letzte, die ich besuchte, fand 2019 statt. Die im Jahr 2020 fiel aus bekannten Gründen leider aus. Nostalgie, Neugier und Reiselust ließen mich ein Ticket bestellen. 

Und auch wenn die Hotelpreise im Vergleich zu damals sehr gestiegen sind, entschied ich mich wieder für das Motel One am Berliner Hauptbahnhof. Da stimmt einfach alles für mich. Die Lage ist perfekt. Wenn man am Hauptbahnhof aussteigt, kann man gleich rüberlaufen und den Koffer loswerden. Außerdem kommt man von dort sehr schnell überall hin. Die Zimmer sind gewohnt schick und gemütlich. Das Frühstücksangebot am Morgen ist super (ich nutze es aber nicht, weil es sich für mich nicht lohnt), die Bar am Abend ist sehr entspannt.  

Als ich am Freitagabend aus dem Zug stieg, wurde es schon dunkel. Ich brachte kurz meine Sachen ins Hotelzimmer und machte mich gleich wieder auf in die Stadt. Bis zu meiner Abendverabredung hatte ich noch ein bisschen Zeit. 

Anlässlich des 17. Jahrestages unseres Kennenlernens stieg ich extra am Brandenburger Tor aus und schickte dem Liebsten ein Foto von DEM Ort, wo wir uns am 4. November 2006 das erste Mal küssten. Das war ein wirklich bedeutsamer Moment für uns beide. Siebzehn Jahre! 


Von dort aus wollte ich zum Potsdamer Platz laufen. Ich entschied mich, durch Nebenstraßen zu gehen. Weil ich etwas Bestimmtes brauchte, besuchte ich ein großes Einkaufszentrum. Definitiv kein Lieblingsort, zu voll, zu grell, zu warm, auch wenn ich dort sogar noch ein schönes Kleid erstand. 

Als ich draußen auf dem Fußweg über einen schmalen Streifen mit der Inschrift "Berliner Mauer 1961-1989" lief, erinnerte ich mich, wie ich dort in den Jahren nach dem Mauerfall auf dem leeren Niemandsland beim Umsteigen durch den Matsch gewatet bin. Die Entwicklung des Potsdamer Platzes wurde meiner Meinung nach in den Jahren darauf zu schnell vorangetrieben. Namhafte Architekten durften sich mit Wolkenkratzern austoben, trotzdem ist die gesamte Gegend heute total seelenlos und austauschbar. Einige Konzerne haben ihre Areale schon wieder verkauft. Es herrscht viel Leerstand.

Auf meine Verabredung am Abend hatte ich mich sehr gefreut. Vom Potsdamer Platz aus fuhr ich in die Nähe eines weiteren geschichtsträchtigen Ortes, der Bernauer Straße, wo sich auch die Mauergedenkstätte befindet. 

Im sehr hübschen Mauerwinzer wartete ein Tisch auf uns. Ich traf eine Bekannte aus dem Internet. Wir kennen uns schon jahrelang, haben uns aber noch nie getroffen. Wir verbrachten einen sehr schönen Abend bei anregendem Gespräch, feinen Weinen und knusprigem Flammkuchen. 



Freuden der Großstadt: wichtige öffentliche Verkehrsmittel fahren tagsüber alle 5 Minuten und ansonsten auch die ganze Nacht durch. Gut für mich, gegen Mitternacht war ich schließlich im Hotelzimmer. 


Am nächsten Morgen trank ich nur kurz einen Kaffe und fuhr dann vom Hauptbahnhof rüber zum Bahnhof Zoo. Im Zoo Palast habe ich früher sehr viele Filme gesehen. Im großen Saal mit fast 1000 Plätzen war das immer sehr beeindruckend.


Im Marmorhaus war ich früher auch öfter. Das Kino wurde 1913 eröffnet und war somit das älteste am Kurfürstendamm. Es wurde aber leider im Jahr 2001 geschlossen. 


Der Anblick der Gedächtniskirche war mir viele Jahre sehr vertraut. Am Wochenende aber fiel mir ihre Bedeutung nochmal so richtig auf. Es hat ja seinen Grund, warum man diese im Krieg zerstörte Kirche eben nicht wieder komplett aufgebaut hat sondern als Mahnmal für den Frieden erhielt. 


Ich bog in kleine Seitenstraßen ein. Da ich noch nichts gefrühstückt hatte, schaute ich mich nach einer Bäckerei um. Wie schön, dass ich ausgerechnet ein kleines französisches Café entdeckte! Ein sehr charmanter Herr verkaufte mir ein Croissant. Das war soooo fluffig und blättrig, très bien!


Um kurz nach 10 erreichte ich schließlich den Friseursalon von Michael Treffeisen. Bei meinem letzten Besuch im Sommer entdeckte ich durch Zufall den Salon. Ich bekam die schönsten blonden Strähnen meines Lebens. Das wollte ich mir jetzt wieder gönnen und freute mich sehr, dass ich einen Termin in dem inhabergeführten Salon bekam. 


Frisch gestylt fuhr ich dann nach Berlin-Mitte zur Oranienburger Straße. Wieder sehr vertraute Pfade und definitiv eine meiner liebsten Gegenden. Unzählige Male war ich hier spazieren, essen, trinken, tanzen und auch hier waren der Liebste und ich an unserem Kennenlerntag einen Kaffee trinken.


Das Tacheles, früher mal ein 1908 eröffnetes Kaufhaus, nach der Wende Kunst- und Begegungsstätte, ist nun umgebaut worden. Das Portal des alten Hauses blieb erhalten, der Rest ist wieder recht austauschbare Architektur. Ich erinnere mich noch an Lagerfeuer und Musik auf der Brache hinter dem Haus. 


Gleich gegenüber lag der Veranstaltungsort der Blogfamilia. Das erste indische Restaurant von Amrit feierte gerade seinen 27. Geburtstag. Ich weiß noch, wie es ganz neu in der Oranienburger Straße eröffnete. Der Laden hat sich echt gemausert und mittlerweile gibt es vier Restaurants an den besten Plätzen in Berlin. 

Der Saal war schon gut gefüllt, es herrschte überall eine fröhliche Stimmung. Ich sah auf Anhieb bekannte Gesichter, wenn auch nicht so viele wie auf den vergangenen Treffen. Dann begann die Veranstaltung schon mit Impulsvorträgen von Susanne Mierau, Anne Dittmann und Nicole Beste-Fopma vom LOB Magazin. Alle im Saal standen noch unter dem Vereinbarkeitschaos der Corona-Zeit. Personalmangel in den Einrichtungen allerorten, die Bildungskrise, Kinderarmut und generell eine zu kleine Lobby von Themen rund um Familie nervt alle. Aber es ist sehr schwer, dagegen anzugehen, wenn man im Familienalltag eh schon wenig Zeit hat. In anschließenden Barcamps wurden Möglichkeiten der Vernetzung und der Sichtbarmachung besprochen. Es war eine schöne und gut organisierte Veranstaltung mit tollen Gesprächen, leckerem indischen Essen und Getränken. 


Danach schlenderte ich die Oranienburger Straße bis zum Hackeschen Markt runter. Ich hatte eine Kinokarte für den Abend gekauft. Ein bisschen Zeit hatte ich noch. So genoss ich die Abendstimmung in den Hackeschen Höfen. Das war sehr schön und entspannend. Ich liebe diesen Ort!


Als ich neulich einen Film über die Firma "Aseli" sah, stieg mein Respekt für das Familienunternehmen, das seit 1921 in Berlin Schaumzuckerwaren produziert, noch mehr. Die Augen der Schaummäuse werden sogar noch per Hand aufgetupft. Immer, wenn ich sie sehe, freue ich mich. Der Laden ist auch allerliebst!



Sawade, auch ein Berliner Traditionsunternehmen, hatte noch geöffnet, so tauchte ich ein in die verführerische Welt der Pralinen und Trüffel. Märchenhaft! Ein bisschen Luxus in Form einiger Pralinen gönnte ich mir.



Abends ist es in den acht verschachtelten Hackeschen Höfen schön ruhig. Alles sieht irgendwie festlich beleuchtet aus. Die prächtig gestalteten Fassaden im ersten Hof sind besonders sehenswert. Dort befindet sich auch das Kino, das ich schon sehr lange für die Programmvielfalt schätze. 


Im Foyer begegneten mir wieder Aseli-Mäuse, diesmal sogar in einem kleinen Pfandglas. Ich schaute mir "Anatomie eines Falls" an. Ich bewundere die Schauspielerin Sandra Hüller und schaue mir ihre Filme sehr gerne an. 

Schon lange hatte ich keinen rappelvollen Kinosaal bei so einem speziellen Film erlebt. Noch dazu war der Film in Originalsprache, also französisch/englisch. Das nüchterne Krimidrama spielt in einem abgelegenen Haus in den verschneiten Bergen und im Gerichtssaal. Nach und nach werden wir tiefer in den Fall hineingezogen. Es werden Schichten einer Beziehung freigelegt. Das ist überraschend, entlarvend und schmerzhaft. Die Wahrheit hat viele Gesichter. Sandra Hüller ist wie gewohnt ganz großartig. Aber auch ihre Partnerinnen und Partner sind sehr einzigartig. 


Nach dem Film lief ich an der Museumsinsel vorbei Richtung U-Bahnhof. Hier der Lustgarten mit dem Alten Museum und der großen Granitschale....


... hier der Berliner Dom, der Fernsehturm und ganz rechts das Rote Rathaus. Alles um 23 Uhr im Nieselregen. 


Den neuen U-Bahnhof Museumsinsel hatte ich auch noch nicht gesehen. Sehr schön. Und die Verbindung quer durch die Stadtmitte war absolut überfällig. 

In der Hotelbar traf ich zwei Frauen von der Blogfamilia wieder. Wir unterhielten uns noch sehr angeregt. Weit nach Mitternacht war ich im Bett. 


Am Sonntagmorgen trödelte ich ein bisschen vor mich hin. Im Motel One braucht man erst um 12 Uhr auschecken. Vor der Rückfahrt nach Wismar wollte ich noch etwas unternehmen. Das Mies van der Rohe Haus stand schon ganz lange auf meiner Wunschliste. Und weil der Ort ziemlich in der Nähe befindet, wollte ich gleich noch die Gedenkstätte Hohenschönhausen besuchen. 

Ich holte mir eine Tasse Kaffee, packte meinen Koffer und lief zum Hauptbahnhof. 

Dort wollte ich meinen Koffer bis zur Abfahrt einschließen. Ich fuhr ins Untergeschoss zu den Schließfächern. Zunächst wollte ich an einem Automaten meinen Geldschein in Münzen umtauschen. Der Automat war leer. Die Schließfächer eh alle voll. Ich musste zwei Stockwerke höher fahren, um zu anderen Schließfächern zu gelangen. Auf dem Weg dorthin besuchte ich das WC. Wieder Kleingeld. Und anstehen. So wenige Toiletten für so einen großen Bahnhof! Das dauerte alles ewig. Ich war so genervt und sah meine Zeit schwinden. Plötzlich hatte ich keine Lust auf gar nix mehr.

Ich blies meine Ausflugspläne ab. Ach, wie schade. Ich ging kurz nach draußen an die frische Luft. Ein letztes Foto vom Ufer der Spree aus. Dann nahm ich einen früheren Zug zurück nach Wismar.



Ich danke für das Mitlesen und die Anteilnahme. Hier gibt es die Möglichkeit, etwas in die virtuelle Kaffeekasse zu tun. Vielen lieben Dank dafür!



9 Kommentare:

  1. *DANKE*, dir sehr für diesen, deinen wunderbaren Bericht - ich bin beimm zweiten Mal mit dir gelaufen, und stellte fest, BERLIN ist immer eine Reise wert.....schön für dich, deine kleine Auszeit....., da ist nach Hause kommen, nach Wismar auch eine Freude gefüllt mit schönen Momenten.......und ich las, das du die Gedenkstätte Hohenschönhausen besucht hast.....eine Arbeit der Lichtplanung meines Sohnes...wie schön
    weiter eine bunte Herbstzeit in Wismar mit vielen kleinen Momenten....*rena* aus dem Rheinland

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    1. Danke für die Grüße und viele Grüße zurück! Hohenschönhausen habe ich ja leider nicht mehr geschafft....

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  2. Hallo Carola,
    Danke für deine Reisebilder nach Berlin, Kino in Berlin , ja das habe ich auch in guter Erinnerung, Zoo Palast da habe ich "Dr. Schiwago" gesehen. Anfang der 70 iger Jahre, so lang ist das schon her.
    In der Gedächtniskirche haben meine Großeltern geheiratet, ca 1910 da war sie natürlich noch heil und unversehrt. In einem alten "Emil und die Detektive" Film dienen die Trümmer der Gedächtniskirche als Kulisse und Treffpunkt für "Parole Emil".
    Die Hackeschen Höfe habe ich auch in neuer Pracht einmal kennen gelernt und bewundert.
    Für Berlin braucht man viel Zeit und Nerven, ich denke am Ende war "die Luft raus" und dann will man nur noch nach hause.
    Hört sich aber trotzdem nach einem sehr kreativen und aktiven Wochenende an.
    Danke fürs Mitnehmen.
    LG Conny


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  3. Liebe Carola, Danke schön für deinen Reisebericht in die Hauptstadt. ich war lange nicht dort und kannst bspw. die Hackeschen Höfe nicht. Jetzt bekomme ich richtige Reiselust. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, was du am Abreisetag erlebtest. Mir kann bei ganz kleinen Begebenheiten auch schnell die Lust vergehen geplante Dinge durchzusetzen, egal wie sehr ich mich darauf gefreut hatte. Eine Frage zum Programmkino hätte ich da an Dich. Der Film "Anatomie eines Falls" kam erst am 09.11. in die Kinos? gab es da eine Preview? Sicher. Ich liebe Programmkino. Wir haben hier VIER davon; in 3,5-30km Entfernung (hier einen wohligen, glücklichen Seufzer einfügen). Im Original wird ja auf englisch, französisch und deutsch gesprochen, oder wurde einiges leider doch synchronisiert? ganz liebe Grüße aus Tübingen

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    1. Vier Programmkinos, ein Traum! Der Film startete schon am 4.11. Im Original wird englisch und französisch gesprochen. In meiner Vorstellung liefen deutsche Untertitel.

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  4. Ich finde es richtig gut, dass Du Dir etwas Schönes gönnst! Danke wie immer fürs Mitnehmen.

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  5. Danke fürs Mitnehmen! Ich lese deine Reiseberichte und v.a. die Berichte über deine Allein-Reisen immer sehr gerne (und freue mich über die Bilder)! Eva

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