Mittwoch, 28. Oktober 2020

Flügellahm

*klonk* Da war es heute wieder: DAS Geräusch. Mein ab.so.lu.tes Hassgeräusch. Buntstift auf Laminatboden. So holzig-blechern. So minenbrechend. So schmerzend in meinen Ohren. Zeugnis von Chaos auf dem Tisch. Kreatives Chaos, ja. Aber Chaos, das besser meine Beaufsichtigung braucht. Denn da steht auch noch der Wasserbecher und der Tuschkasten. 

Die Augustschnuppe tuscht sich ihren Arm an. Und *klonk* fällt auch noch ein Pinsel auf den Boden. Ein nasser Pinsel. Farbspritzer besprenkeln Boden, Hochstuhl und Schrank. Das ist mir echt zu viel.

Meine Nerven sind dünn dieser Tage. Seit die Schule wieder begonnen hat, bin ich müde. Und ich meine damit den Schulanfang nach den Sommerferien. Das war Anfang August. Bis dahin hatten wir uns alle ganz gut miteinander berappelt. Die Corona-Situation war neu und wir haben das in den Monaten zuvor echt gut hinbekommen. 

Der Liebste saß mit seinem krisenfesten Job im Homeoffice. Die großen Schulkinder bekamen täglich über den Schulserver ihre Schulaufgaben und hatten online auch Kontakt zu ihren Freundinnen, Freunden und zum Lehrpersonal. Auch in der Grundschule klappte das Versorgen mit Schulmaterialien ganz gut. Ich war glücklicherweise noch in Elternzeit und hatte deswegen genug Luft, um für die Kinder da zu sein. Wir haben alle ein bisschen länger geschlafen und aufgepasst, dass wir uns alle miteinander gut vertragen. Die Krise haben wir mit Elan, gutem Mut und Zuversicht angepackt. Wir haben damit gerechnet, dass alles länger dauert.

Wir konnten sogar in den Sommerurlaub fahren.

Nach den Sommerferien zog das Leben plötzlich wieder an. Schule wie immer. In den Gängen und auf dem Schulhof sollten die Kinder Masken tragen. Aber ansonsten lief alles nach dem Motto: Augen zu und durch. 

Die Augustschnuppe wurde erfolgreich im Kindergarten eingewöhnt. Ich kündigte meinen Job als Erzieherin. Wenn Corona mir eins gezeigt hatte, dann, dass ich flexibel in meinen Arbeitszeiten sein möchte. Sein muss. Sollte es nochmal zu Kita-oder Schulschliessungen kommen, hätten wir in unserer Familie Luft und müssten uns nicht zwischen Job und Kinderbetreuung zerreißen. Deshalb habe ich mich freiwillig kranken- und rentenversichert und mich als Freiberuflerin angemeldet.

Die Tätigkeit als Naturerlebnispädagogin ist genau mein Ding. Doch Kindergeburtstage in der Natur sind im Herbst- und Winterhalbjahr nicht so gefragt. (Pssssssst, dabei sind sie in Corona-Zeiten genau richtig!) Und auch der Ausstellungsdienst ist im Winter reduziert. So kommt, ehrlich gesagt, nicht so viel rein in die Kasse. Mein Bürojob hilft ein bisschen. Das wusste ich natürlich vorher, aber es ist halt alles noch sehr neu.

Der Herbsturlaub in Dänemark verlief schon mit ein bisschen mehr Bauchschmerzen. Plötzlich ploppten wieder Risikogebiete hoch. Doch wir hatten die strengen Hygienemaßnahmen schon so verinnerlicht, dass wir auch im Urlaub sehr darauf achteten.

(Kleiner Exkurs zu unseren Urlauben: es hat seinen guten Grund, warum wir immer nur in der Nebensaison z.B. nach Kühlungsborn fahren. Es sind dann einfach fast keine anderen Menschen da. Im Sommer sind wir immer auf dem Bauernhof in Angeln. Da ist es auch in der Hochsaison so weitläufig, dass wir sehr selten auf andere Menschen treffen. Das ist unsere Art, Urlaub zu machen.)

Seit März haben wir quasi keinerlei private Kontakte mehr gehabt. Wir haben in der ganzen Zeit nur zwei andere Familien getroffen. Draußen. Mit Abstand. Die Kinder haben nie bei ihren Freundinnen oder Freunden übernachtet. Ich war nicht mehr beim Sport, was mir wirklich sehr fehlt. 

Und dann sind da noch die Schmerzen in meinen Schultern. Kenne ich schon. Ist langwierig. Doch momentan ist es wieder richtig schlimm. Die Schmerzen rechts sind dauerhaft da und ziehen bis runter in die Hand. Ich bekomme meinen Arm nicht mehr hoch. Die Nächte sind die Hölle, denn ich weiß nicht, wie ich liegen soll. Spritzen haben nicht geholfen. Physiotherapie ist in Arbeit. Die meisten Schmerzmittel darf ich wegen meines Magens nicht nehmen. 

So fühle ich mich jetzt ziemlich flügellahm. Nicht nur wegen meines herunterhängenden Armes. Sondern auch wegen der... wie sagt man jetzt so schön... Gesamtsituation. 

Doch ich weiß, dass auch wieder andere Zeiten kommen. Bessere. Und daran muss ich mich jetzt festhalten. Heute bin ich eine große Runde gelaufen. Die Herbstfarben sind gerade so schön! Und schaut Euch mal diesen Regenbogen an! Der blieb heute extra lange am Himmel direkt vor unserm Fenster stehen. Da stand ich dann mit allen vier Kindern am Fenster und habe einfach nur gehofft, dass wir gut durch diese merkwürdige Zeit kommen. 




31 Kommentare:

  1. Ich wünsche dir, dass die flügellahme Schulter dich bald wieder schlafen, Sport machen und den Alltag stemmen lässt! Gute Besserung! Obwohl es sich ja abgezeichnet hat, treffen mich die heutigen Coronaverschärfungen so ganz dumpf. Ich fühle mich ermüdet, genau wie du es beschreibst. Wir haben zwar etwas mehr Menschen getroffen, wohnen aber auch in MV, wo die Lage ja lange Zeit sehr entspannt war. Wir waren auf keinen großen Feiern, auf Gut Oestergaard im Urlaub ;), haben nur wenige Male ein Café besucht usw. usf. Ich hoffe, dass wir gut durch die nächste Zeit kommen. Und das hoffe ich für dich und deine Familie auch. Herzliche Grüße Maren

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    1. Ohhh, Gut Oestergaard :-)

      Vielen Dank und Dir und Deiner Familie auch alles Gute!

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    2. Ja, auf Gut Oestergaard kamen wir durch deinen Blog, vielen Dank! Wir waren jetzt schon zum zweiten Mal dort :). Heute sind schon die ersten Schüler*innen und Erzieher*innen bei uns an der Schule in Quarantäne, das mulmige Gefühl wir dadurch nicht gerade besser :/. Kommt gut durch den November! LG

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  2. Ich schicke Dir eine dicke Ladung Kraft aus der Ferne! Du machst das alles so super, Deine Kinder sind gluecklich und gesund, und gemeinsam mit dem Liebsten werdet Ihr das meistern! Und ab und an ein Durchhaenger ist absolut ok, nichts finde ich fuerchterlicher als dieses toxische immer-positiv-sein-muessen. Finde ich. :)

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  3. Oh ja, genauso geht es mir auch. Ich bin so müde und kraftlos gerade. Und so scheint es einigen zu gehen. Auch den Kindern fehlt die nötige Freude und Leichtigkeit, alles muss überdacht, abgewägt werden, alles hat eine gewisse Schwere. Ich hoffe, dass es besser wird. Und wie sollen sie verstehen, dass sie vormittags in der Schule mit 30 Kindern zusammensitzen dürfen, nachmittags ein Treffen mit mehreren aber nicht mehr geht? Schon schwierig. Aber ich versuche, kleine Inseln zu schaffen. Kleine Aufmerksamkeiten, Überraschungen. Ein frischer Kuchen, ein neues Spiel, für gemeinsame Spieleabende... Dir wünsche ich ebenfalls gutes Durchhalten! Und: gute Besserung für die Schulter. Alles LIebe - und danke, dass Du Deine Gedanken mit uns teilst! Birte

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    1. Dankeschön!

      Ich staune, wie gut es die Kinder bis jetzt gepackt haben. Sie sind echt tapfer.

      Alles Gute auch Dir!

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  4. Du Liebe,
    als erstes wünsche ich Dir schnelle und gute Genesung Deiner Schulter. Schmerzen sind nervenzerreißend und machen einen mürbe.

    Manchmal ist für eine Weile alles irgendwie einfach doof und schwierig und erdrückend. Mir hilft es oft an schöne Dinge zurück zu denken. Fotos anzuschauen, Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Dann weiß ich, dass es uns eigentlich ganz wunderbar geht und dass auch einfach wieder bessere Tage kommen. Das wünsche Dir von Herzen, dass das ganz bald bei Euch der Fall sein wird.
    Alles Liebe.

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  5. Liebe Carola,
    ich wünsche Dir gute Besserung, starke Nerven und viel Kraft für die vielfältigen Aufgaben und besonders für Deine Familie.
    Ab und zu darf man auch mal durchhängen!
    Bei Deiner positiven Lebenseinstellung bekommst Du das sicher wieder schnell in den Griff.
    Alles Gute für Dich und Deine Familie.
    Liebe Grüße Sigrid

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  6. Ist aber doch aber auch alles "mistig" und ich möchte zu gerne mal laut Stop rufen und um eine zweiwöchige Corona Pause bitten.

    Alles Liebe für euch und dir gute Besserung, Slo

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  7. Eine rasche und vollständige Genesung und viel Nährendes und Stärkendes für diese Zeit.

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  8. Hallo Carola,
    dein Satz
    Deshalb habe ich mich freiwillig kranken- und rentenversichert und mich als Freiberuflerin angemeldet.
    macht mir echt Sorge, wieso bist du nicht bei deinem Mann familenversichert?
    bzw.mit deinem Minijob bei der Minijobzentrale über den Arbeitgeber.
    Ich frage deshalb nach, weil ich den ganzen Ärger mit Krankenversicherung usw. kenne.
    evtl. hilft es deinem Arm ihn ruhig zu stellen, zeitweise, ein Drei-ecktuch zu tragen.
    Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Kraft für den Alltag und einen guten Heilungsverlauf für deinen Arm.
    Das ist im Moment ein wirklich schwere Zeit, evtl. kannst du Hilfe bekommen, das gibt es auch von der Krankenkasse bewilligt.
    Alles Gute für dich wünscht dir Cornelia

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    1. Hallo Cornelia,

      der Job ist halt freiberuflich. Und beim Partner wird man nur bis 450 Euro mitversichert. Ich bin da eher optimistisch rangegangen, weil ich mehr im Monat verdienen will :-)

      Die Schulter wird bestimmt bald besser. Die Behandlung ist im Gange. Aber es dauert halt echt lange :-/

      Alles Gute auch Dir!

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  9. Liebe Carola, das tut mir echt leid zu lesen. Wünsche euch alles Gute und kann Sport machen nur sehr empfehlen. Es hilft mir so sehr, an der frischen Luft.

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  10. Liebe Carola,
    ich bin von dir und deiner Familie sehr berührt und begeistert, ich hätte gern so eine Mama wie dich gehabt.
    Für deine Schulter wünsche ich dir alles Gute.
    Warst du schon mal be einem Osteopathen?
    Wir denken manchmal, ja das ist die Diagnose und das Röntgenbild ist eindeutig aber ich bin sicher , es gibt ne Menge Menschen mit dem gleichen Befund, die keine Schmerzen haben. Einfach nur nichts wissen von ihrem Befund.
    Vielleicht magst du das ja ausprobieren.
    die KK übernehmen für dreimal je 40€ mit Privatrezept.
    Liebe Grüße an dich und deine Familie,
    Silke

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  11. Mir geht es ähnlich... Nur dass meine Schulter dank einer Osteopathin wieder schmerzfrei ist. Hätte ich nie gedacht und hatte soooo lange Schmerzen. Nur so als Tipp...

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  12. Liebe Carola,

    du sprichst mir aus der Seele. Genauso fühlt es sich hier zu Hause auch an. Die Freude und Leichtigkeit fehlt gerade komplett. Ich bin so angestrengt vom Schulalltag. Bin selbst Lehrerin und es fühlt sich falsch an, in die Schule zu 27 Erstklässlern zu gehen aber ansonsten soziale kontakte zu meiden. Wir sind als Familie auch schon die ganze Zeit sehr vorsichtig. Oma und Opa und meine Schwester treffen wir nur draußen. Nun ist auch noch mein kleiner Neffe geboren und ich (weil täglich in der Schule) kann ihn noch nicht mal einfach so auf den Arm nehmen... es ist zum heulen!
    Ich versuche auch dass wir uns trotzdem kleine schöne Momente schaffen! Aber ich merke gerade extrem, was es mit uns allen macht und wieviel Kraft es kostet. Auch wenn man es die ganzen Monaten so „Augen zu und durch“ gemacht hat. Kein Wunder, wenn deine Schulter weh tut. Ich denke, die gesamte Anspannung macht sich auch dort bemerkbar! Ich wünsche dir gute Besserung!!! Und viel Geduld! Ich finde es toll, wie du es als Mutter machst! Und ich liebe deinen blog!!! Einfach so erfrischend ehrlich und normal! Und inspirierend! Danke!
    Herzliche Grüße Caro

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    1. Dankeschön! Herzlichen Glückwunsch zum kleinen Neffen!

      Und ganz viel Licht und Kraft für diese Zeit!

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  13. Ich wünsche viel Kraft und Durchhaltevermögen und gute Besserung für die gesundheitlichen Beschwerden!
    Nachdem ich auch in den Kommentaren gelesen habe: Ja, das ist schwer vermittelbar, wenn Kinder sich nicht nachmittags mit anderen treffen dürfen, die sie vormittags in der Schule getroffen haben. Und deshalb lassen es leider auch viele Eltern zu. Was es für die anderen noch schwerer macht... Auch das sollte sich jeder klar machen und dass es leider leider wichtig ist, so wenig Kontakte wie möglich zu haben. In meinem Freundeskreis verstehen auch viele nicht, warum ich privat auf nahezu alles verzichte und nur Draußen-Treffen mit Abstand mache, wo ich doch den ganzen Tag bei der Arbeit Kontakt mit Menschen habe? Auch das macht müde, dieses Rechtfertigen, Vernünftigsein, Durchhalten.
    Ich hoffe darauf, dass es wieder mehr Leichtigkeit geben wird und konzentriere mich auf die kleinen Alltagsfreuden und besonnene Menschen. Liebe Sonntagsgrüße von Christine

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    1. Das machst Du genau richtig so!

      Ich diskutiere das nicht mehr. Wir kriegen das schon hin!

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  14. Och mensch, ich wünsche dem Arm gute Besserung und den Gemütszustand wieder mehr Leichtigkeit.
    Die ganzen Monate war ich beeindruckt, wie toll ihr das alles hinbekommen habt - während es bei uns weniger glatt lief, gerade die Schulaufgaben der beiden mittleren oftmals gar nicht gemacht wurden.
    Und ich habe gehadert, mit meiner Elternzeit, die so anders lief als geplant.
    Jetzt bin ich froh, wie einfach sich dieses kleinste Kind eingewöhnen ließ, dass die anderen scheinbar doch noch genug getan haben, um keine schmerzhaften Lücken zu behalten.
    Und mir tut das wieder arbeiten so gut - vorher habe ich nur gedacht, wie anstrengend das wird, und natürlich ist es das auch, aber es gibt mir auch soviel. Und dort durch die Rahmenbedingungen zumindest teilweise kaum Corona-Veränderung. Reinraum bleibt Reinraum. Und ich bemerke, dass die Nerven wieder stabiler werden.
    Das wünsche ich dir also auch!

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    1. Dankeschön! Das hört sich doch gut an bei Euch!

      Einen schönen November Dir und Deiner Familie!

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  15. Liebe Carola, dir alles Gute von Herzen! Hie ein berlin sind Kinder unter 12 Jahren weniger stark eingeschränkt, dürfen sich treffen, in festen Gruppen Sport machen die Spielplätze sind offen, Zoo und Tierpark auch, Schulen und Kitas ebenso. Und damit kann ich wunderbar leben, merke ich, da es ganz andere Voraussetzungen für Familien sind als beim ersten Lockdown. Finde es gut, dass die Politik endlich Kinder im Blick hat, als erwachsener kann ich mit den anderen Einschränkungen halbwegs umgehen, Hauptsache die Kinder trifft es nicht so hart.

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    1. Ja, das stimmt. Die Kinder machen das aber auch echt gut!

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