Freitag, 26. Oktober 2018
Attachment Parenting Kongress 2018
Werbung - ich wurde zum Kongress eingeladen
"Du musst ihn auch mal schreien lassen!" waren die ersten Ratschläge meiner Mutter und meiner Oma, als sie mich nach der Geburt meines ersten Kindes das erste Mal besuchten. Nichts anderes auf der Welt schien ihnen wichtiger. Ich kannte mein neugeborenes Baby gerade mal ein paar Tage. Mir war aber sonnenklar, dass ich mein Kind niemals mit Absicht schreien lassen wollte. Das war für mich völlig gegen jedes Bauchgefühl. Und so blieb es auch. Bei diesem und allen weiteren Kindern.
Meinen ersten Sohn habe ich 1998 geboren. Erst einige Jahre zuvor, in den 80ern, wurde in den USA von Martha und William Sears der Begriff "Attachment Parenting" geprägt. Das bedeutet soviel wie "bedürfnis- oder bindungsorientierte Erziehung". Diese Art der Erziehung setzt die Feinfühligkeit vor allem der Mutter voraus. Ziel ist eine sichere Mutter-Kind-Bindung.
Die wichtigsten Säulen sind: sofortiger Körperkontakt von Mutter und Kind nach der Geburt, (Langzeit-) Stillen nach Bedarf, ständiges Tragen nah am Körper, Co-Sleeping/Schlafen im Familienbett, Beobachtung der Signale des Babys, Verzicht auf Schlaftraining und eine Balance der Bedürfnisse von Kind und Mutter.
Anfang der 2000er Jahre wurde das AP-Konzept in der westlichen Welt vor allem unter gut ausgebildeten Frauen populär, die in Städten lebten und ökologischen und sozialen Fragen aufgeschlossen waren. Seit einigen Jahren ist es auch in den deutschen Elternblogs angekommen. Das Konzept des "Attachment Parenting" ist also noch recht jung und nicht unumstritten. Es ist kein Patentrezept für eine gute Eltern-Kind-Beziehung. Selbst wenn Mütter alle Punkte der Liste befolgen, heißt es trotzdem nicht, dass es in der Familie nie Probleme geben wird. Die Belastung vor allem für die Mütter kann sehr hoch sein und es wird kritisiert, dass die Einbindung der Väter oder anderer Bezugspersonen fehlt.
Ich habe alle meine fünf Kinder absolut selbstbestimmt nur im Beisein von Hebammen geboren (oder aus Versehen nur mit Hilfe des Liebsten). Ambulant im Krankenhaus, im Geburtshaus und zu Hause. Ohne irgendwelche Interventionen oder Medikamente mit Körperkontakt sofort nach der Geburt. Das Stillen klappte aber nur sehr kurz bei zwei von fünf Kindern. Wir alle waren glücklich mit der Flaschenfütterung. Meine Kinder wurden nur manchmal in einer Tragehilfe am Körper getragen, der Kinderwagen hat mir immer aus vielen Gründen besser gefallen. Laut Attachment Parenting also ziemlich viele Minus-Punkte. Deshalb war mir Attachment Parenting mit seinen scheinbar strengen Auslegungen etwas fern.
Darum war ich ganz gespannt auf den Attachment Parenting Kongress 2018, der am 13. und 14. Oktober 2018 in Hamburg stattfand. Ich wurde von der Firma Weleda eingeladen und habe angenommen. Ich war neugierig und habe es als Fortbildung für mich persönlich gesehen. Als Frau, Mutter und Erzieherin sprachen mich sehr viele Themen auf der umfangreichen Vortragsliste an. Es drehte sich um die selbstbestimmte Geburt, um den Babyschlaf, um das Tragen, um Fehlgeburten, um das Paarleben, um die verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinder und noch vieles mehr. Viele Vorträge waren schon im Vorfeld ausgebucht. Initiiert wurde der Kongress in diesem Jahr schon zum dritten Mal von Frauke Ludwig und Diana Schwarz von Einfach Eltern.
Als ich das Hotel Grand Elysée in der Hamburger Innenstadt erreichte, erkannte ich schon von Weitem die Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer. Und auch drinnen war schnell klar: das hier ist ein Elternkongress. Überall wuselten Kinder umher, Babys wurden auf viele verschiedene Arten getragen, die Stimmung war trotz der sehr großen Gästezahl ganz familiär. In Nebenräumen gab es viele Stände von Ausstellern, eine sehr große Zahl von Herstellern von Babytragen war dabei. Es wurden aber auch Autositze beworben, Barfußschuhe, Stoffwindeln und nachhaltige Damenhygieneprodukte sowie verschiedene Beratungsangebote vom Stillen oder Tragen über Erziehungsberatung bis zur Babygruppe.
Ich habe mir aus dem umfangreichen Programm drei unterschiedliche Vorträge ausgesucht. Zuerst entschied ich mich, der Psychologin Stefanie Stahl zuzuhören, die über ihr Buch "Das Kind in dir muss Heimat finden" (Amazon Partner Link) sprechen wollte. Untertitel "Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme". Das Buch steht seit Jahren auf der Bestsellerliste. Ich war sehr skeptisch, weil mich der Titel so gar nicht anspricht. Im Buch geht es um die psychischen Prägungen in der frühen Kindheit, die Auswirkungen auf unser ganzes Leben haben und unser Selbstwertgefühl und unser Verhalten maßgeblich bestimmen. Sie gilt es zu entschlüsseln um als erwachsene Person Probleme lösen zu können.
Frau Stahl hat mich überzeugt. Es war doch gar nicht so verschwurbelt, wie ich befürchtet hatte. Ich freute mich noch während des Vortrags über eine persönliche Erkenntnis. Jetzt werde ich mir wohl das Arbeitsbuch (Amazon-Partner-Link) zum Thema besorgen und mal schauen, ob ich damit richtig liege. Am 3. Dezember erscheint übrigens ein neues Buch von Stefanie Stahl. Zusammen mit Julia Tomuschat hat sie das Buch "Nestwärme, die Flügel verleiht" (Amazon-Partner-Link) geschrieben. Das Buch ohne Ratschläge soll Eltern dabei helfen, reflektiert und authentisch ihre eigenen Kinder zu begleiten.
Im Vortrag von Sonderpädagogin Katja Seide sollten die Jahre nach der sogenannten "Trotzphase" behandelt werden. Mich hat das interessiert, denn was ist, wenn nicht mehr gestillt oder getragen werden kann? Die Autorin vom Bestseller "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Der entspannte Weg durch Trotzphasen" (Amazon-Partner-Link), den sie zusammen mit Danielle Graf geschrieben hat, sprach über die Säulen einer guten Beziehung zwischen Eltern und größeren Kindern. Logische Folge nach dem ersten Buch.
Das zweite Buch trägt auch so einen schönen langen Titel, nämlich "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Gelassen durch die Jahre 5-10" (Amazon-Partner-Link). Der Vortrag war locker, flockig, verständlich und sehr sympathisch. Ich freue mich auf das Anschlussbuch. Mein Vorschlag: "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Seelenruhig durch die Pubertät" ;-)
Die beiden Autorinnen betreiben seit 2013 auch den vielbeachteten Blog "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn".
Die Autorin Katja Reim durfte ich vor ihrem Vortrag treffen und mit ihr sprechen. Mich hat interessiert, wie Medienerziehung und Attachment Parenting zusammenpassen. Wir hatten ein schönes Gespräch und waren uns in vielen Punkten einig. Vor allem darin, unsere Kinder nicht alleine zu lassen im Netz. In ihrem Blog "Mein Computerkind" sind schon ganz viele Tipps versammelt.
Im folgenden Vortrag ging Frau Reim auf ihr Buch "Ab ins Netz?!" (Amazon Partner Link) ein, in dem sie kompetent und sympathisch beschreibt, wie sie ihre Tochter beim Entdecken des Internets begleitet hat. Im Buch gibt es auch ganz viele Tipps für sichere und interessante Internetseiten für Kinder. Medienerziehung ist ein Thema, das alle Eltern heutzutage betrifft, egal, wie sie ihre Kinder erziehen.
Zwischen den Vorträgen bewegten sich wieder alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die unterschiedlichen Bereiche im Hotel. In den Pausen gab es jederzeit Getränke, es gab ein reichhaltiges Mittagsbuffet und nachmittags Kuchen. In einem ruhigen Raum wurde mit Ölen von Weleda massiert. Viele genossen auch draußen die Sonne im Park oder auf der Terrasse.
Ich kannte diesmal nur eine Handvoll Menschen, was für mich auf so einer großen Veranstaltung eine neue interessante Erfahrung war. So konnte ich in Ruhe das Treiben beobachten. Von den Vorträgen konnte ich einiges mitnehmen. Viele Dinge sind mir durch meine Ausbildung und mein Familienleben seit vielen Jahren vertraut. Wie gesagt, viele Dinge an Attachment Parenting können hilfreich für ein gutes Familienleben sein, müssen es aber nicht. Manche Dinge, wie der Einsatz für eine selbstbestimmte und sichere Schwangerschaft und Geburt z.B. vom Verein Motherhood sollten noch viel gesellschaftsfähiger gemacht werden und sind natürlich nicht von einem bestimmten Erziehungsstil abhängig.
Rund um den Kongress habe ich mich gefreut, das wärmste und sonnigste Oktoberwochenende in Hamburgs Innenstadt verbringen zu dürfen. Ich staunte über die Menschenmassen am Morgen oder am Abend an der Alster und im Park "Planten un Blomen". Ich durfte im coolen 25hours Hotel in der Hafencity übernachten, damit ich es nicht so weit habe.
Meine Oma und meine Mutter haben damals wohl so gehandelt, wie sie mir geraten haben. Sie haben ihre Kinder schreien lassen und haben generell eher weniger auf die kindlichen Bedürfnisse geachtet. Ein distanziertes Verhältnis war die Folge. Ich musste mich davon frei machen und einen eigenen Weg finden. Deshalb finde ich, es kann auf gar keinen Fall schaden, mehr auf die Bedürfnisse von Kindern zu achten. Schaden tut es aber dort, wo es dogmatisch wird und anderen Personen der persönliche Erziehungsstil als Allheilmittel verkauft wird.
Wenn Mütter ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie nicht Stillen können oder wollen, weil sie einen Kinderwagen benutzen oder lieber alleine in ihrem Bett schlafen, ist für mich ein Konzept unbrauchbar. Schöner wären mehr Bestärkung und Bestätigung, dass, auch wenn nicht alle Punkte des Konzepts erfüllt werden können, trotzdem ein erfülltes Familienleben und eine gute Beziehung untereinander gelingen können. Feinfühligkeit und Selbsterkenntnis der Bezugspersonen können dabei sehr hilfreich sein. Und vor allem der letzte Punkt auf der oben genannten Liste sollte gut beachtet werden: die Balance der Bedürfnisse aller Familienmitglieder.
Ich freue mich, dass das nagelneue Buch von Frauke Ludwig und Diana Schwarz "Baby Basics - Alles, was ihr über euer Baby wissen solltet" (Amazon-Partner-Link) recht undogmatisch auftritt. Das Buch bietet in sehr angenehmer und übersichtlicher Form eine Fülle an Informationen, die für einen guten Start ins Familienleben hilfreich sein können. Es lohnt sich, es schon in der Schwangerschaft zu lesen, damit man von Anfang an versteht, warum Babys sich so verhalten, wie sie sich verhalten.
Ich möchte mein Exemplar des Buches gerne weitergeben. Es hat sogar eine Widmung der Autorinnen. Wer es haben möchte, schreibt mir bis nächsten Montag, den 29. Oktober 2018, 24 Uhr, einen Kommentar. Hier oder über mein Kontaktformular. Die Gewinnerin oder der Gewinner wird von mir benachrichtigt.
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