Donnerstag, 20. März 2014

Vom Bauchgefühl

"Ach, wenn ich den Kleinen so sehe, bereue ich ich, dass ich damals bei meinem Kind nicht noch mehr auf mein Bauchgefühl gehört habe!" sagte die alte Mutter eines Freundes zu mir. Sie hatte sich über den Kinderwagen meines ersten Kindes gebeugt und dem Kleinen beim Schlafen zugesehen. Er lag warm eingekuschelt auf seinem Schaffell, sein Stofftier nah an seinem Körper.
So ist es mir seitdem sehr oft ergangen: gerade ältere Frauen sind wehmütig, wenn sie meine Kinder und mich sehen und würden gerne die Zeit zurückdrehen und mehr auf sich und ihr Bauchgefühl hören.

Wie ist das eigentlich mit dem Bauchgefühl? Hat man das automatisch? Kann man denn nur auf sich selber hören? Wie geht das? Indem man alles andere ausblendet? Nein, ich denke nicht, dass das so funktioniert. Bauchgefühl entsteht durch aufmerksames Hören, Sehen, Vergleichen, Hinterfragen und Abwägen. Wenn ich sage, ich höre auf meinen Bauch, heißt das nicht, dass ich uninformiert bin.

Als ich vor 16 Jahren das erste Mal schwanger war, waren meine Informationen beschränkt auf ein Schwangerschaftsbuch, die Aussagen meines Frauenarztes, die Empfehlungen meiner Hebamme und die Ratschläge einiger weniger Personen. Schnell war klar, der Frauenarzt kurz vor der Pensionierung vertritt einen mir sehr fernen Standpunkt. Auch die Hebamme sprach nur Empfehlungen aus, entschieden habe immernoch ich. So hatte ich Informationen aus den verschiedensten Richtungen. Ich stellte mir Grenzsteine vor, zwischen denen ich mich bewegen konnte. Manchmal war ich näher an dem einen Stein, manchmal näher an einem anderen. Für mich war und ist wichtig, ich will mich mit meinen Entscheidungen wohl fühlen, dann kann ich sie auch gut vertreten. Und wenn ich mich wohl fühle, wird es auch meinem Kind gut gehen.

Geholfen hat mir dabei meine Sicht auf das Kind: es ist ein eigenständiger Mensch mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Das Kind macht nichts aus Vorsatz, jedes Verhalten hat einen guten Grund. (Literatur dazu.) Ich kann das akzeptieren und bleibe dadurch gelassen. Das hilft mir im Leben mit meinen Kindern, vom Baby bis zum Teenager und auch in meinem Beruf.

Durch das Internet hat sich die Informationsflut vervielfacht. Angefangen bei unzähligen Baby- und Elternforen bis hin zu den vielen Elternblogs. Da wird es mit dem Bauchgefühl immer schwerer. Zu viele Grenzsteine um einen herum können ganz schön verwirrend sein. Sie können beeinflussen, den eigenen Standpunkt ins Wanken bringen, aber natürlich auch dazu führen, die eigene Haltung zu überdenken und eventuell kleine Korrekturen vorzunehmen. Wichtig ist dabei, keiner "Mode" hinterherzurennen. Mache ich das jetzt so, weil das die Leute aus der Krabbelgruppe so machen oder weil die Nachbarin es gesagt hat? Schlafen, essen, fördern. Es sind immer nur Empfehlungen. Am besten wäre: Ich bleibe in meiner Mitte und tu, was ich will. Es sollte immer zu einem selber und der Familie passen. Ja sogar unter Geschwistern gibt es ganz unterschiedliche und einzigartige Eigenheiten. Hilfreich zu wissen: es geht meistens um sehr kurze Phasen im Leben, die viel zu schnell vorbeigehen. Plötzlich hat man einen 1,80cm großen Teenie und fragt sich, warum man sich um 3 Monate Breifüttern solche Gedanken gemacht hat.

Beim ersten Kind habe ich manches anders gemacht, als jetzt beim vierten. Ich bereue es nicht, weil es vor knapp 16 Jahren für mich so gepasst hat. Ich war ja trotzdem immer für mein Kind da und habe nach bestem Gewissen gehandelt. Und ob ich nun einen Kinderwagen schiebe oder trage, ob ich stille oder die Flasche gebe und mein Kind in meinem oder in seinem eigenen Bett liegt, bestimmen nur ich und mein Kind und meine Familie. Und das ist das Wichtigste für eine gute Bindung. Für mehr Bauchgefühl!