Montag, 9. November 2009

20 Jahre Mauerfall

Huch! 20 Jahre ist das schon her?
Jeder hat wohl seine eigene Geschichte von diesem Tag zu erzählen.
Ich bin in Ostberlin, in Pankow, geboren und aufgewachsen. 1989 war ich 13 Jahre alt. Es gab für mich ganz selbstverständlich 2 deutsche Staaten. Die Mauer schützte uns vor den bösen Menschen im Westen. Nach dem Krieg waren alle Faschisten in den Westen gezogen, im Osten gab es nur gute Kommunisten. Wir lebten im guten Teil Deutschlands. So bin ich aufgewachsen und wir Kinder haben es geglaubt.
Meine Eltern hatten im Jahre 1986 einen Ausreiseantag gestellt. Seitdem haben sie unter etlichen Schikanen leiden müssen. Als ich von dem Ausreiseantrag erfahren habe, hatte ich große Angst. Meine Freundin und ich haben stundenlang miteinander geweint.
Kurz vor dem Mauerfall wurde unsere Ausreise genehmigt.
Am 9. November sind wir Kinder wie immer zu Bett gegangen. Meine Mutter dann auch. Mein Vater hat irgendwann am späten Abend im Fernsehen von der Öffnung der Grenze in Berlin erfahren. Er wollte es meiner Mutter sagen, aber die ließ sich nicht mehr wecken. Sie sagte nur im Halbschlaf "Quatsch!"
Am nächsten Tag, dem 10. November, hatte mein Bruder Geburtstag. Nach dem Geschenke auspacken sind wir Kinder zur Schule gegangen. Dort war an Unterricht nicht zu denken, alle waren aufgeregt, dennoch wollten die Lehrer mit uns nicht darüber reden. Sie waren wie gelähmt.
Am Nachmittag war niemand zu Hause. Meine Oma rief an und sagte nur: "Deine Eltern sind im Westen!" Da habe ich Angst bekommen, daß sie nicht mehr zurückkommen. Aber sie kamen natürlich zurück. Bepackt mit vielen tollen Sachen. Kellogs Cornflakes und Toppas waren dabei, das weiß ich noch, so etwas hatten wir bis dahin noch nie gesehen.
Am nächsten Tag wollten wir alle zusammen unsere Verwandten in West- Berlin besuchen. Am Übergang Bornholmer Straße stauten sich die Autos auf 3 Kilometern Länge. Als wir drüben waren, sah es gar nicht so anders aus. Wir fuhren an einem LKW vorbei, von dem Bananen und Kaffee geworfen wurden. Ich fand das ganz schön peinlich (Im Nachhinein habe ich von einer Freundin erfahren, daß sich vor allem Westler dort hingestellt haben.)
Dann bekamen mein Bruder und ich von unseren Eltern jeder 5 Mark und durften damit machen, was wir wollten. Der Westen stand mir offen! Wir sind in ein Woolworth- Geschäft gegangen. Mir wurde schwindelig von all den Lichtern, Farben und Gerüchen. Ich stand in diesem Laden und wußte nicht, was ich kaufen sollte. Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Ich bin mit meinem Geld in der Tasche wieder raus gegangen, denn ich wollte mein kostbares Westgeld nicht unbedacht ausgeben.
Wir hatten unsere Ausreisegenehmigung erhalten und den Umzug schon vorbereitet. Durch die Öffnung der Grenze veränderte sich die Situation. Meine Eltern wollten aber trotzdem noch umziehen, denn niemand wußte so genau, wie es weitergeht. Jetzt konnten wir aber Kisten packen und unsere Habe bei Verwandten unterstellen. Am 30. November 1989 wurden wir ausgebürgert. 3 Tage mußten wir in einer Turnhalle leben, denn die Notaufnahmelager waren völlig überfüllt. Durch die Hilfe einer Kirchengemeinde bekamen wir eine 2 Zimmer- Wohnung, in der wir dann bis zum nächsten Sommer leben sollten.
Es war ohne Frage eine aufregende Zeit! Wenn ich jetzt im Fernsehen Berichte über den Mauerfall sehe, bin ich froh, daß ich das miterleben durfte. Ich habe Respekt vor meinen Eltern, die eine ungewisse Zukunft mit zwei Kindern auf sich genommen haben. Vor dem Fernseher bekomme ich Gänsehaut und muß mir ein paar Tränchen abwischen. Es ist immernoch sehr bewegend, diese grenzenlose Freude der Menschen zu sehen. Dem Großen habe ich erklärt, es war ungefähr so wie bei der Fußball- WM, nur noch toller. Ich wünschte, wir hätten uns mehr von dieser Freude bewahrt, denn solch ein Ereignis kommt nicht mehr wieder. Es ist doch noch immer erstaunlich, daß Menschen, die sich gemeinsam für eine Sache einsetzen, so viel bewegen können.

Vielen Dank für Eure Geschichten!

10 Kommentare:

  1. Ich war noch zu klein...aber etwas habe ich mitbekommen. Schreib ich noch auf meinem Blog. Auf jeden Fall kann man anhand deines Post gut nachvollziehen und verstehen wie es für ein Kind war. Wirklich schön geschrieben...da bekommt man schon Gänsehaut!
    lg
    Bettina

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  2. Ja , das war unglaublich! Ich habe zu der Zeit gerade bei Horten gejobbt und die ganzen DDR-Bürger stürmten nun den Laden. Sowohl die Wessis als auch die Ossis waren sprachlos aufgrund der Situation. Jede "Seite" war nur an Gucken und Staunen. Die Verkäuferin konnten mit dieser Begeisterung gar nicht umgehen, die ihnen da endgen schlug.
    Mit unserer Tochter haben wir auf den Weg nach Berlin einen Stop in Helmstedt gemacht und ihr die Grenzanlagen gezeigt. Es ist fast nicht mehr nachvollziehbar, fand ich.

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  3. Ich bin ein Westkind...auch noch aus dem Westen vom Westen. Ich war gerade 11.

    Was für eine tolle Erinnernung die du da hast.

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  4. Die Zeit war wirklich einmalig. Ich war schon 17 und die letzten Wochen vor dem Mauerfall habe ich in Brandenburg miterlebt, aber nie wäre mir der Gedanke gekommen, dass es wirklich soweit kommt. Am Wochenende war ich dann sofort in Berlin. Beim Einkaufen ging es mir dann ähnlich wie Dir. Ich habe mir kaum was kaufen können, weil ich irgendwie erschlagen von allem war und nicht wusste, was ich nehmen soll.

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  5. Danke fürs Teilen, ich finde diese persönlichen Erinnerungen an den Mauerfall immer sehr bewegend. Und deine letzen Sätze kann ich nur unterstreichen - es ist so schade, dass die große Freude von damals (die bei mir sofort wieder präsent ist, wenn ich Bilder sehe oder solche Geschichten wie deine lese), im täglichen Hickhack untergeht.
    viele grüße, Lucy

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  6. Ich war zwei Jahre älter.
    Interessant sind die unterschiedlichen Erlebnisse und Eindrücke. Meine stehen in meinem Blog.
    Spannend war die Zeit allemal.
    Mehr noch als die Bilder der Grenzöffnung lösen die Bilder von Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft Gänsehaut bei mir aus.

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  7. Schön, auch deine Geschichte dazu zu lesen.
    So hat jeder seine eigene Erinnerung an diesen Tag und diese sollte man sich mit all den damit verbundenen Gefühlen bewahren.

    liebe Grüße Kathrin

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  8. Liebe C.,
    dir gehts wie mir, dass ich so froh bin, das bewusst miterlebt zu haben. Das ist ein Erlebnis gewesen, das man nicht vergisst und das die Weichen in unserem Leben ganz anders gestellt hat. Ich schreib in meinem Blog auch gleich noch was dazu.
    LG nach HH (da wärst du ja sonst wahrscheinlich auch eher nicht! )
    Ute

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  9. Liebe Frau Frische Brise,
    ich war heute da - und komme gerade eben zurück. Auf einer Tagung habe ich heute in Berlin unter Berlinern verweilt und am Mittagstisch ergaben sich sehr bewegende Gespräche! Sehr faszinierend Menschen über ihr Leben in West- oder Ost-Berlin zur Zeit der Mauer erzählen zu hören, von Sperrstunde und von Berlin im Ausnahmezustand, als die Menschen auf der Mauer tanzten und den Tagen danach - als das Gefühl von Freiheit die Menschen beflügelte und veränderte, Busfahrer ihre Fahrgäste ohne Entrichtung von Fahrgeld an ihr Ziel brachten, als so viele Leute mit ihren Trabbis auf den Kurfürstendamm fuhren, dass die Luft darüber eine einzige dicke blaue Abgaswolke war. Menschen, die nicht wußten, ob diese Bewegung friedlich verlaufen würde oder nicht... Und sie ist es! Zum Glück!

    Ich war elf damals. An den Tag, bzw. die Fernsehübertragungen erinnere ich mich dennoch sehr genau...

    Frau Elbkiesel

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  10. Ja, das waren Zeiten!
    Es war für mich das grösste Ereigniss meines Lebens.
    Ich war damals elf,wir wohnten in Potsdam und meine Schwester wurde im August 1989 ausgebürgert. Die Verabschiedung von ihr war so schmerzlich, wir mussten nicht wann wir uns wiedersehen, und das es dann so schnell vorbei war mit der Teilung Deutschlands - das hätten wir nie gedacht.
    Als wir uns dann in Westberlin am 10.11.1989 wieder in die Arme fielen - unbeschreiblich!
    Ich bin so froh, dass alles so passiert ist und wir uns frei bewegen können in der ganzen Welt.
    Ich lebe jetzt in Oldenburg und bin mit einem Oldenburger verheiratet. Manchmal ist es schwierig meinem Mann bestimmte Gefühle oder Ereignisse aus dieser Zeit zu erklären, aber er ist sehr interessiert daran, es zu versuchen zu verstehen.

    Frau Frische Brise, Ihr hattet ein Telefon damals?! Welch Luxus, hatten wir erst 1990.

    Viele liebe Grüße aus Oldenburg nach Hamburg von der leider noch bloglosen Eva

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