Alles fing mit der mehrtägigen Feierei rund um die Verleihung der Abiturzeugnisse an. Ich hatte für unsere Große eine kleine Schultüte vorbereitet. Angelehnt an ihre damalige Schultüte zur Einschulung im August 2013, die auch mit einem Einhorn verziert war. Drin war eine Kette mit einem symbolischen Anhänger zur Erinnerung an diesen Tag und diesen Abschnitt des Lebens.
Bitter fand ich die Diskussion, die nur ein paar Tage später in den Medien aufkam: das Abitur wäre zu leicht und das Abitur würde zu oft mit "Eins" benotet. Gerade die heutigen Jahrgänge hatten mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen: zunächst monatelanges Lernen zu Hause wegen der Corona-Pandemie, Isolation, Wegfall aller Hobbys und dann ständiger Unterrichtsausfall, fehlende Lehrkräfte und veralteter Unterricht. Die Einflüsse der "sozialen" Medien nahmen immer mehr zu, gleichzeitig fehlten immer mehr Orte, an denen Jugendliche sich treffen können.
Vor diesem Hintergrund ist die Leistung der Jungendlichen nicht zu unterschätzen. Das Abitur ist außerdem keine Momentaufnahme sondern Zeugnis aller Leistungen (mindestens) der letzten beiden Schuljahre. Unsere Große ist da vergleichsweise gut durchgekommen, nicht zuletzt wegen ihrer Theatergruppe und der Jugendgruppe in der Gemeinde. In diesen Gruppen fand sie Gleichgesinnte und Halt, was mich sehr für sie freut.
Unsere Große hatte ihr Traumkleid ganz in Gold gefunden, mit Reifrock, Haarschmuck und Schuhen. Der Liebste und ich gingen in Dunkelblau, ich mit Glitzer.
Der Ort war schließlich wunderschön hergerichtet. Die Tische waren liebevoll geschmückt, Getränke standen bereit. Es gab eine Sitzordnung, einen feierlichen Einzug mit Eröffnungstanz, ein großartiges Buffet und viel Zeit zum Reden, Erinnern und auch Abschiednehmen. Bis nach Mitternacht feierten wir, die letzten Gäste blieben sogar noch länger.
Als es schließlich auch für die anderen Kinder Zeugnisse gab, bekamen meine Kinder noch ihre Ferienpäckchen von mir. Mit angemessener Botschaft.
Ende August fuhr auch ich für ein Wochenende mit dem Zug zum ersten Mal überhaupt nach Münster. Mein Koffer war ein bisschen schwerer, weil ich meiner Großen noch ein paar Sachen hinterherbrachte. Gleich am Bahnhof fiel es mir auf: ja, der Ruf als Fahrradstadt ist berechtigt.
Da es mich immer ans Wasser zieht, besuchten meine Große und ich an einem Abend den Stadthafen. Dort konnten wir schön sitzen, bevor wir ins Kino gingen.
Dieser Anblick allerdings täuscht enorm, denn ausgerechnet an meinem Besuchswochenende wurde in Münster ein Stadtfest gefeiert. Die gesamte Innenstadt war komplett gesperrt, an jeder Ecke schallte unterschiedlichste Musik von Bühnen, überall gab es Stände mit Essen und Getränken. Teilweise waren die Gassen so dicht, dass es kein Durchkommen gab. Ich bin kein Fan von so großen Festen, für mich war es sehr abschreckend und viel zu laut.
Am ruhigsten war es noch in der der Kirche St. Lamberti am Prinzipalmarkt. Die Symbolik der Himmelsleiter hat mir gefallen, die Geschichte der Eisenkäfige draußen am Turm finde ich eher gruselig. Heute leuchten in den Körben Glühbirnen als Erinnerung an die Seelen der Hingerichteten.
Auf der Suche nach einer Abendveranstaltung fiel uns der "Orgelsommer" auf. So besuchten wir ein kleines feines Orgelkonzert in einer Kirche. Wir hatten die allerbesten Plätze, von denen wir die bewundernswerte Arbeit des Organisten mit teilweise gleich zwei Helfern beobachten konnten.
Das allerbeste Eis durften wir in einem klitzekleinen italienischem Café genießen. Hier Himbeersorbet und Schokolade mit Schokoladenüberzug. Ich hatte Pistazieneis, das wirklich richtig nussig schmeckte.
Ein bisschen melancholisch bin ich dennoch. Wie schnell doch die Zeit von der Geburt bis heute verging! Was haben wir alles miteinander erlebt! Haben wir genug getan? Haben wir unserem Kind alles Wichtige vermitteln können? Manches haben wir vielleicht verpasst?
Es ist ja auch ein Abschied von einer Lebensphase, der nun eingeläutet wurde. Für die Große, für uns als Eltern und auch für die Geschwister. Es kommen aber neue Zeiten auf uns zu, die sicherlich auch sehr spannend und interessant für uns alle werden. Mit Vertrauen und Zuversicht werden wir es schaffen.
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