Wie am Vortag war ich doch erst wieder gegen Mitternacht im Bett. Ich schlafe aber bis 8 Uhr. Ganz gut sogar, obwohl vor dem Fenster eine ziemlich große Straße entlangführt. Das bin ich nach einem Jahr Wismar gar nicht mehr gewöhnt. Vermisst habe ich es aber nicht.
Duschen, anziehen, schminken... den ersten Kaffee hole ich mir aus dem Hotelrestaurant wieder nach oben in mein Zimmer. Unten ist es wieder ganz schön voll. Abreisende vermischen sich mit Frühstücksgästen und die Laufwege kreuzen sich. Ich packe so langsam mein Zeug zusammen. Zum Auschecken brauche ich bloß meine Zimmerkarte in ein Gefäß werfen.
Zum Museum für Kunst und Gewerbe kann ich zu Fuß laufen. Der Stadtteil ist am Sonntagmorgen um 10 Uhr noch wie ausgestorben. Das Museum liegt direkt am Hauptbahnhof Hamburg. Dort sieht es schon wieder ganz anders aus. Rund um das Museum campieren viele Menschen in den Grünflächen, ein Duschbus steht davor und ein Corona-Test-Zentrum gibt es auch.
Ich betrete das Museum. Meine Eintrittskarte habe ich mir vorher online gekauft und brauche sie nur noch vorzeigen. Meinen großen Reiserucksack kann ich kostenfrei an der Garderobe abgeben.
Zuerst sehe ich mir den sogenannten Freiraum an. Der ist zu den Öffnungszeiten des Museums kostenfrei zugänglich und soll ein Treffpunkt für Mitarbeitende und Gäste des Museums sein. Hier kann man sich treffen, kreativ tätig sein, verweilen, lesen und sich einfach aufhalten. Es gibt ganz unterschiedliche Veranstaltungen, Vorträge, Lesungen etc. Auf der Terrasse wird gegärtnert, eine große Kinderecke gibt es auch. Eine schöne Idee!
Dann suche ich den Grund für meinen Besuch: die Ausstellung
DRESSED 7 Frauen - 200 Jahre Mode. Ich betrete den großen Raum und bin gleich begeistert: So viele interessante Kleidungsstücke! Es beginnt mit Mode aus dem Jahr 1824. Unglaublich, dass die Kleidung so gut erhalten wurde. Ausgestellt werden Kleidungsstücke, die jeweils von einer Frau getragen wurden. Das sind dann Kleider für den Alltag, Kleider für festliche Anlässe, Hosenanzüge, Mäntel, Schlafanzüge, Handschuhe, Schuhe, Socken, Hauben oder Mützen.
Alles ist säuberlich dokumentiert, wie z.B. die Materialien, Größe, Länge, Weite, Änderungen an den Säumen, Flecken, Risse oder Überfärbungen. Dazu gibt es von jeder Frau eine kurze Biographie zu lesen und einige Fotos von ihr. Durch die Mode erfährt man etwas über die Eigenschaften der Trägerin und ihre gesellschaftliche Stellung. Ich finde das alles sehr spannend!
Hier die Kleidung von Edith von Maltzan, die die Jahre von 1895 bis 1950 repräsentiert. Edith von Maltzan stammte aus einer wohlhabenden Familie und heiratete einen Diplomaten. Dadurch kam sie viel in der Welt herum, was sich auch in ihrer Kleidung widerspiegelte. Auch ihre Witwenkleidung ist zu sehen.
Besonders berührend fand ich, die Kleidung von Erika Holst zu sehen, die 1946 mit nur 29 Jahren starb. Fotos zeigen sie als lebenslustige junge Frau, die auch zweifache Mutter war. Sie trug sehr schöne schlichte Kleider, hatte aber auch festlichere Garderobe. Wenn diese Fasern doch nur flüstern könnten!
Außergewöhnlich ist die Garderobe der Hamburger Galeristin Elke Dröscher, die aus der Zeit von 1968 bis 1986 stammt. Sie trug in dieser Zeit fast ausschließlich Mode des französischen Designers Yves Saint Laurent. Die Kleider empfinde ich als sehr zeitlos, die würde ich heute genau so sofort tragen.
Natürlich schlenderte ich hinterher noch ein bisschen durchs Museum. Ich war ja schon ein paar Mal dort, aber die Kantine des Spiegel Verlagshauses in Hamburg ist jedes Mal wieder sehenswert. Verner Panton hat sie 1969 entworfen. Ich schwanke bei diesem Anblick immer zwischen Staunen und leichtem Grusel.
Ich esse dann noch etwas im museumseigenen Restaurant. Leider hat der Museumsshop noch nicht geöffnet, denn eigentlich wollte ich mir den Katalog der interessanten Mode-Ausstellung zulegen. Doch ich muss mich auf den Weg zum Bahnhof machen.
Ich bin etwas zu früh am Bahnsteig, aber die Regionalbahn steht schon da. Ich steige ein und bekomme auch sehr leicht einen Sitzplatz. Wie gut, denn als der Zug eine halbe Stunde später losfährt, sind alle Plätze besetzt und viele Menschen müssen auch stehen. Hunde bellen sich an. Im Fahrradabteil gibt es Platzprobleme.
Kurz hinter Hamburg bleibt der Zug für 20 Minuten auf der Strecke stehen. Ob ich den Anschlusszug in Schwerin schaffe, erfahre ich erst, als ich dort ankomme. Ja, den Zug bekomme ich. Weil der zu spät abfährt.
Als ich schließlich den Marienkirchturm von Wismar entdecke, atme ich auf. Ich bin zu Hause! Kurz vor Ladenschluss erreiche ich doch noch die Fika Kaffeebar, die gleich in der Nähe des Bahnhofs liegt. Vicky feiert an dem Wochenende den ersten Geburtstag ihres kleinen Ladens. So habe ich noch Gelegenheit, ihr zu gratulieren.
Als ich zu Hause ankomme, ist die Familie noch unterwegs. So habe ich ein bisschen Zeit, um auch gedanklich wieder anzukommen. Das ist nach so einem Wochenende ganz alleine erfahrungsgemäß immer ein bisschen schwierig. Vom ruhigen Gedankentreibenlassen zu voller Pulle Familienleben. Ich packe meine Sachen aus. Vor meinen Fenstern die Türme von Wismar und Möwengeschrei.
Ich danke für das Mitlesen und die Anteilnahme. Hier gibt es die Möglichkeit, etwas in die virtuelle Kaffeekasse zu tun. Herzlichen Dank für die Anerkennung!
Was für eine tolle Reise mit zahlreichen Highlights!!!! 👍
AntwortenLöschenJa :-)
LöschenHallo Carola, Vielen Dank für das Mitnehmen ins Kino und Museum von Hamburg.
AntwortenLöschenDas hat mich auch neugierig gemacht.
Den Katalog zur Ausstellung gibt es im Hirmer Verlag
https://www.hirmerverlag.de/de/titel-2-2/dressed-2290/
Liebe Grüße von Cornelia
Ja, ich weiß. Aber vor Ort ist so ein Katalog immer günstiger.
LöschenSo gut, dass du das gemacht hast. Ich hab mir im März genau das auch gegönnt, und es so genossen. Einfach durch die Straßen treiben lassen, Häuser gucken (die traumhaften Villen in Harvestehude 😍😍, kann man nur erben oder reich einheiraten), Leute beobachten...
AntwortenLöschenUnd die Ausstellung hört sich super an, bin Ende Juni wieder da, vielleicht klappt es da.
Hach das hört sich gut an :-)
LöschenDas mit dem Ankommen kann ich so gut verstehen! Das geht mir als Einkind-Mama schon immer so. Bisher bin ich immer Auto gefahren und dann bleibe ich noch etwas im Auto sitzen und atme einfach bevor ich wieder voll präsent als Mama gefordert bin. Und meist hänge ich aber selbst gedanklich immer noch in meiner freien Zeit. Stelle mir das mit mehr Kindern noch etwas lauter und krasser vor…
AntwortenLöschenJa, der Trubel ist dann wieder voll da. Zum Glück kann ich eine Weile von so einem Ausflug zehren.
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