*klonk* Da war es heute wieder: DAS Geräusch. Mein ab.so.lu.tes Hassgeräusch. Buntstift auf Laminatboden. So holzig-blechern. So minenbrechend. So schmerzend in meinen Ohren. Zeugnis von Chaos auf dem Tisch. Kreatives Chaos, ja. Aber Chaos, das besser meine Beaufsichtigung braucht. Denn da steht auch noch der Wasserbecher und der Tuschkasten.
Die Augustschnuppe tuscht sich ihren Arm an. Und *klonk* fällt auch noch ein Pinsel auf den Boden. Ein nasser Pinsel. Farbspritzer besprenkeln Boden, Hochstuhl und Schrank. Das ist mir echt zu viel.
Meine Nerven sind dünn dieser Tage. Seit die Schule wieder begonnen hat, bin ich müde. Und ich meine damit den Schulanfang nach den Sommerferien. Das war Anfang August. Bis dahin hatten wir uns alle ganz gut miteinander berappelt. Die Corona-Situation war neu und wir haben das in den Monaten zuvor echt gut hinbekommen.
Der Liebste saß mit seinem krisenfesten Job im Homeoffice. Die großen Schulkinder bekamen täglich über den Schulserver ihre Schulaufgaben und hatten online auch Kontakt zu ihren Freundinnen, Freunden und zum Lehrpersonal. Auch in der Grundschule klappte das Versorgen mit Schulmaterialien ganz gut. Ich war glücklicherweise noch in Elternzeit und hatte deswegen genug Luft, um für die Kinder da zu sein. Wir haben alle ein bisschen länger geschlafen und aufgepasst, dass wir uns alle miteinander gut vertragen. Die Krise haben wir mit Elan, gutem Mut und Zuversicht angepackt. Wir haben damit gerechnet, dass alles länger dauert.
Wir konnten sogar in den Sommerurlaub fahren.
Nach den Sommerferien zog das Leben plötzlich wieder an. Schule wie immer. In den Gängen und auf dem Schulhof sollten die Kinder Masken tragen. Aber ansonsten lief alles nach dem Motto: Augen zu und durch.Die Augustschnuppe wurde erfolgreich im Kindergarten eingewöhnt. Ich kündigte meinen Job als Erzieherin. Wenn Corona mir eins gezeigt hatte, dann, dass ich flexibel in meinen Arbeitszeiten sein möchte. Sein muss. Sollte es nochmal zu Kita-oder Schulschliessungen kommen, hätten wir in unserer Familie Luft und müssten uns nicht zwischen Job und Kinderbetreuung zerreißen. Deshalb habe ich mich freiwillig kranken- und rentenversichert und mich als Freiberuflerin angemeldet.
Die Tätigkeit als Naturerlebnispädagogin ist genau mein Ding. Doch Kindergeburtstage in der Natur sind im Herbst- und Winterhalbjahr nicht so gefragt. (Pssssssst, dabei sind sie in Corona-Zeiten genau richtig!) Und auch der Ausstellungsdienst ist im Winter reduziert. So kommt, ehrlich gesagt, nicht so viel rein in die Kasse. Mein Bürojob hilft ein bisschen. Das wusste ich natürlich vorher, aber es ist halt alles noch sehr neu.
Der Herbsturlaub in Dänemark verlief schon mit ein bisschen mehr Bauchschmerzen. Plötzlich ploppten wieder Risikogebiete hoch. Doch wir hatten die strengen Hygienemaßnahmen schon so verinnerlicht, dass wir auch im Urlaub sehr darauf achteten.
(Kleiner Exkurs zu unseren Urlauben: es hat seinen guten Grund, warum wir immer nur in der Nebensaison z.B. nach Kühlungsborn fahren. Es sind dann einfach fast keine anderen Menschen da. Im Sommer sind wir immer auf dem Bauernhof in Angeln. Da ist es auch in der Hochsaison so weitläufig, dass wir sehr selten auf andere Menschen treffen. Das ist unsere Art, Urlaub zu machen.)
Seit März haben wir quasi keinerlei private Kontakte mehr gehabt. Wir haben in der ganzen Zeit nur zwei andere Familien getroffen. Draußen. Mit Abstand. Die Kinder haben nie bei ihren Freundinnen oder Freunden übernachtet. Ich war nicht mehr beim Sport, was mir wirklich sehr fehlt.
Und dann sind da noch die Schmerzen in meinen Schultern. Kenne ich schon. Ist langwierig. Doch momentan ist es wieder richtig schlimm. Die Schmerzen rechts sind dauerhaft da und ziehen bis runter in die Hand. Ich bekomme meinen Arm nicht mehr hoch. Die Nächte sind die Hölle, denn ich weiß nicht, wie ich liegen soll. Spritzen haben nicht geholfen. Physiotherapie ist in Arbeit. Die meisten Schmerzmittel darf ich wegen meines Magens nicht nehmen.
So fühle ich mich jetzt ziemlich flügellahm. Nicht nur wegen meines herunterhängenden Armes. Sondern auch wegen der... wie sagt man jetzt so schön... Gesamtsituation.
Doch ich weiß, dass auch wieder andere Zeiten kommen. Bessere. Und daran muss ich mich jetzt festhalten. Heute bin ich eine große Runde gelaufen. Die Herbstfarben sind gerade so schön! Und schaut Euch mal diesen Regenbogen an! Der blieb heute extra lange am Himmel direkt vor unserm Fenster stehen. Da stand ich dann mit allen vier Kindern am Fenster und habe einfach nur gehofft, dass wir gut durch diese merkwürdige Zeit kommen.



