Auf den Grund eines Sees sinken und nicht mehr auftauchen. Nicht bewegen. Nicht atmen. Nicht denken. Nur noch schweben. Grüngelbblauer Schimmer. Umschlungen und gehalten vom Wasser sein. Kühl und beruhigend. Diese unendliche Stille. Herrlich! Die Welt ist weit, weit weg. Keine Verpflichtungen. Kein Lärm. Kein Stress. Nichts müssen. Lasst mich. Lasst mich hier liegen.
Ich will nicht mehr.
Wie lange hält man solche Tage durch? Wie lange halte ich solche Tage durch? Wie lange halten meine Kinder solche Tage durch? Wir als Paar?
Es war ein ganz tiefes Tal in den letzten Monaten. Durch meinen Wiedereintritt in die Berufstätigkeit wurde ganz schön an unserem Familienfrieden geruckelt. Eingestiegen bin ich mit großem Elan. Endlich wieder arbeiten! Was anderes als nur Kinder und Haushalt sehen. Nach monatelanger Suche hatte ich auf eigene Initiative eine Stelle gefunden. Ich habe mich so gefreut. Als erfahrene Erzieherin und vierfache Mutter haut mich so schnell nichts um. Ich bin Mutter und berufstätig. Das ist für mich selbstverständlich. Ich bin doch sturmerprobt. Klar schaffe ich das! Das kriegen wir schon hin!
Die Erkenntnis, dass etwas nicht stimmt, schlich sich nur sehr langsam ein. Irgendwann im Herbst merkte ich, dass ich mich nicht mehr freuen konnte. Ich war dünnhäutig und oft gereizt. Ich habe mich vernachlässigt, Freundschaften, den Haushalt, mein Blog. Ich hatte ständig Sehnsucht nach meinen Kindern. Während des Tages malte ich mir aus, was ich mit ihnen Schönes machen könnte. Ich wollte die knappe und kostbare Zeit zusammen mit ihnen unbedingt genießen. Es sollte "Quality time" sein, wie es so schön heißt.
Wenn ich meine Kinder aus dem Spätdienst abgeholt habe und wir dann endlich um 17 Uhr zu Hause waren, sah es leider ganz anders aus. Ich war total geschlaucht von meiner Arbeit. Durch den extrem hohen Lärmpegel in der Schule konnte ich am Ende des Tages keinerlei Geräusche mehr ertragen. Bei jedem winzigen Ton reagierte ich abweisend und versuchte, mich zu wehren. Ich habe meine Kinder sehr unfair behandelt. Es war mir peinlich, vor den Kindern und auch vor meinem Mann, dass ich mich so verändert hatte.
Das tat mir sehr, sehr weh.
Irgendwann kam dann der Gedanke, warum ich mir und uns das antue. Musste das wirklich sein? Als erste hoffnungsstiftende Maßnahme meldete ich mich zu meiner Weiterbildung zur Fachkraft für Naturerlebnispädagogik an. Arbeiten mit und in der Natur! Hach! Eine schöne Perspektive! Nur änderte das nichts an meiner momentanen Situation. Die Anforderungen blieben. Ich strampelte mich ab, um es allen gerecht zu machen. Die Stimmen in meinem Kopf höhnten "Du bist gescheitert!". Der eine Gedanke aber blieb und wuchs in meinem Kopf an: warum das Ganze?
Den Gedanken dann wirklich auszusprechen dauerte noch eine Weile. Eines Abends bin ich zusammengebrochen. Unter Tränen erzählte ich dem Liebsten, dass ich glaube, dass der Job nicht der richtige ist. Er war nicht überrascht, denn er hatte es auch schon vermutet. Wir überlegten, wie es weitergehen könnte. Noch am selben Abend schauten wir uns im Internet gemeinsam Stellenanzeigen für Erzieherinnen an.
Ich kündigte meine Arbeitsstelle.
Noch bevor die Kündigung im Briefkasten landete, hatte ich ein Vorstellungsgespräch. Die Stellenanzeige hat der Liebste für mich entdeckt. Eine kleine Einrichtung in Fahrradnähe mit 25 Kindern und drei Kolleginnen suchte eine Erzieherin für den Vormittag. In schönen großen Räumen mit eigenem Garten. Familiär und sympathisch. Ich weinte bei dem Vorstellungsgespräch, weil ich so unter Druck stand. Alles passte gut und ich bekam die Zusage. Der Vertrag ist unterschrieben. Ab Januar 2016 habe ich einen neuen Job. Passend für mich und meine Familie.
Vorhin sagte der kleine Bruder zu mir: "Du bist die beste Mama der Welt!". Ich habe geweint. Ich habe geweint, weil ich über die bedingungslose Liebe der Kinder zu mir staune. Nach all dem, was in letzter Zeit passiert ist, nach all dem Stress und dem Geschimpfe, bin ich für sie trotzdem noch die beste Mama der Welt. Uff.
Ich bin wieder aufgetaucht. Ich sehe wieder die Sonne und hole wieder Luft. Weiter geht's!