Doch da schwebte eine Angst über mir. Angst um meine Gesundheit, meine Rückenschmerzen waren wirklich schlimm. Und Angst vor der Zeit, wenn der Liebste wieder zur Arbeit gehen würde. Seine Arbeitsstelle lag 300 Kilometer entfernt. Fast 3 Jahre pendelte er nun schon von Berlin nach Hamburg. Er stand morgens um 4 Uhr auf, fuhr mit der Bahn nach Hamburg, arbeitete, fuhr mit der Bahn wieder zurück und war schließlich um 19.30 Uhr zu Hause. Wenn viel zu tun war, übernachtete er auch in Hamburg.
In der Woche hatten wir quasi kein Familienleben. Die Kinder haben den Liebsten gar nicht gesehen. Ich war alleine zuständig für Kinder, Haushalt, Arzt- und sonstige Termine. Wir beide hatten keine Zeit für Hobbys und wenig Zeit für uns. Wir telefonierten viel. Am Wochenende waren wir platt von der Woche und haben nicht viel unternommen. Das Familienleben kostete uns ziemlich viel Kraft. Wir jammerten nicht. Es lief ganz gut. Das war alles durchaus machbar.
Der Liebste bewarb sich in Berlin. Die angebotenen Jobs passten nicht. (Und wie gut, eine der Firmen ist mittlerweile pleite.) Die Zeit verging. Und nun hatten wir schon 3 Kinder. Wir wohnten in einer wunderschönen großen Altbauwohnung mit Dielen, Stuck, Flügeltüren und toller Nachbarschaft. Unser Wohnbezirk war grün und kinderfreundlich. Meine Familie und viele Freunde waren um uns. Wir hatten gute Schulen und Kitas um die Ecke. Ich hatte einen Job, in den ich zurückkehren wollte. Doch das alles machte nur halb so viel Freude, weil eine wichtige Person fehlte. Ich wollte das so nicht mehr.
Ganz plötzlich, kurz nach der Geburt des kleinen Bruders, hatte ich diese Eingebung. Völlig aus dem Nichts heraus, setzte sich dieser Gedanke in meinem Kopf fest. Und kreiste und kreiste da umher. Anfangs wehrte ich mich. Wie soll das gehen? Ich will das nicht. Ich traue mich nicht. Aber dieser Gedanke wurde immer größer und konkreter, bis er nach einiger Zeit so groß war, dass er heraus musste. Ich musste ihn nur noch über meine Lippen bringen. Wie ein Kloß lag er schon auf meiner Zunge. Ganz oft habe ich angesetzt, aber nicht den Mut gehabt. Es wurde immer dringlicher. Bis ich endlich auf einem Spaziergang mit dem Liebsten den Satz herausbrachte. Er platzte förmlich aus mir heraus: "Lass uns nach Hamburg ziehen!"
Da war er, der Satz. Und ich erschrak. Was hatte ich da nur gesagt?! Ich schlug meine Hände vor den Mund und weinte. Der Liebste guckte erstaunt, wusste er doch, wie sehr ich Berlin liebe. Aber ich meinte es ernst. Es gab kein Zurück. Ich hatte mich entschieden. Für ein Familienleben. Für kostbare gemeinsame Zeit miteinander. Für mehr Ruhe in unserem Leben. Ich wollte das so schnell wie möglich.
Noch am selben Abend schauten wir im Internet nach Wohnungen in Hamburg. Da war eine, die uns gefiel. Ein paar Tage später fuhren wir mit der ganzen Familie gen Norden zur Wohnungsbesichtigung. Die Wohnung war toll und einen Tag später hatten wir die Zusage. Nur zwei Monate später stand der große Umzugswagen vor er Tür.
Es war eine der schwierigsten Entscheidungen meines Lebens. Es hat sich gelohnt. Für die Familie. Für jeden Einzelnen von uns. Wir haben Zeit miteinander. Wir haben Hobbys. Wir haben neue Freunde gefunden. Wir haben uns.
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| das Mutzelchen und der kleine Bruder vor 4 Jahren |
