Der Große war als Kleinkind sehr brav. Ich brauchte keine Schranksicherungen, er hat nie die Bücherregale leergeräumt, ist nie an die Musikanlage gegangen, hat keine Tische bemalt, hat sich selten dreckig gemacht. Das war sehr entspannt. Mittlerweile weiß ich, daß das keineswegs normal war.
Unser Mutzelchen hat schon so einige Dinge in unserem Haushalt kaputt gekriegt. Ich denke da nur an unseren Schuhschrank, der leider nicht an der Wand befestigt war und den das Mutzelchen umgeworfen hat. Alle Schubfächer sind herausgebrochen, der Schrank war ein Fall für den Müll. Seitdem sind alle unsere Schränke und Regale an der Wand befestigt.
Kleine Kinder verfügen manchmal so plötzlich über Nacht über neue Fähigkeiten, daß man da als Elternteil kaum hinterherkommt. Der kleine Bruder reicht nun an die Türklinken ran. Und macht davon reichlich Gebrauch. Neulich bekam ich den Tipp, die Türklinken nach oben zu drehen. Ich sträubte mich ein bißchen dagegen, weil ich das nicht so schön finde.
Gestern nun passierte dies: weil ich mich im Moment selten schminke, kam ich auf die Idee, mir wenigstens die Wimpern zu färben. Das hatte ich noch nie getan. Ich kaufte für knapp 10 Euro eine kleine Schachtel. Innen drin waren zwei Minifläschchen mit Flüssigkeit. Mann sollte sich Papier unter die Augen kleben und mit Wattestäbchen erst die eine und dann die andere Flüssigkeit auf die Wimpern auftragen. Das Papier piekte und zwickte, meine Augen tränten und das Ergebnis war... nichts. Fazit: wenn man fast keine Wimpern vorzuweisen hat, ist da auch nichts zum Färben. Dafür habe ich nun einen leichten Kajalstrich unter einem Auge, der ein paar Tage hält. Ist ja auch was. Hm.
Die beiden Fläschchen legte ich in die Badezimmerschublade. Am Nachmittag wuselten alle drei Kinder in der Wohnung umher. Ich sortierte Stoffe in meiner Nähecke. Im Hintergrund hörte ich den kleinen Bruder husten. Da brachte ihn der Große zu mir und da sah ich die Bescherung! Zuerst hoffte ich, daß der Kleine irgendeine Schokolade entdeckt hatte. Nein. Er hatte die Tür zum Badezimmer alleine aufgemacht, war anscheinend schnurstracks an die Schublade gegangen, hatte den Schraubverschluß der Fäschchen aufbekommen (was für eine Fähigkeit!) und hatte allem Anschein nach daraus getrunken.
Oh, oh! Kind abwischen, überlegen, Verhalten beobachten, an den Giftnotruf denken, dessen Nummer 19240 seit meiner Tätigkeit als Erzieherin in meinem Kopf fest eingespeichert ist, Silbernitrat googlen, Bad putzen... Zum Glück waren es wirklich nur ein paar Tropfen. Dem kleinen Bruder geht es gut. Nur ist er jetzt für ein paar Tage an Mund und Händen eingefärbt.
Und was habe ich jetzt gemacht? Ja, die Türklinke zum Badezimmer verstellt. Mal sehen, was als Nächstes kommt...