Die "Katzenzungen" gehören dazu.
Ich habe sie als Kind von meiner Uroma bekommen.
Meine Uroma Marie wurde im Jahr 1900 in Ostpreußen geboren. Als ich geboren wurde, war sie schon 76 Jahre alt und wohnte im Haus ihrer Tochter, meiner Oma. Uroma Marie bewohnte ein kleines Zimmer im oberen Stockwerk des kleinen Backsteinhauses an der Bahnstrecke in Wismar. Im Zimmer stand ein Bett, ein kleiner Tisch, ein dunkelbrauner Vitrinenschrank und ein Sessel. In dem Sessel saß meine Uroma die meiste Zeit des Tages. Weil sie nicht mehr gut zu Fuß war, kam sie nur zu den Mahlzeiten die schmale Treppe runter ins Erdgeschoss. Ich hab sie immer auf Plattdeutsch gerufen: "Ete kome!". Das sage ich heute noch zu meinen eigenen Kindern.
Ich weiß nicht, was sie in ihrem Zimmer den ganzen Tag gemacht hat. Sie hatte keinen Fernseher und ein Radio auch nicht. Sie konnte nicht mehr gut hören, weshalb man laut mit ihr reden mußte. Sie hatte hüftlanges Haar, was sie jeden Morgen zu einem langen dünnen Zopf flocht und daraus einen Dutt drehte. Nicht, daß ich sie je mit offenen Haaren gesehen hätte, sie war da sehr korrekt.
Beim Schreiben habe ich immernoch den Geruch ihres Zimmers in der Nase.
Manchmal bin ich zu ihr ins Zimmer geschlüpft. Sie hat sich immer sehr gefreut. Viel unterhalten haben wir uns nicht, aber ich durfte an ihren Schrank gehen und mir eine Katzenzunge aus der Schachtel nehmen. Eine! Die habe ich dann ganz langsam und mit Bedacht gelutscht. Ich weiß gar nicht so genau, wo meine Uroma diese Kostbarkeit herhatte, denn diese Schokolade gab es ja nur im "Westen". Die Packung sah auf alle Fälle damals schon genauso aus, wie heute. Das Bild durfte ich auch mal mitnehmen und hab es lange aufgehoben.
Seitdem sind diese Katzenzungen untrennbar mit meiner Uroma verbunden. Sie starb im Jahr 2000 kurz vor ihrem 100. Geburtstag.