Sonntag, 1. November 2009

Heimatreise

Morgens um 7 Uhr auf dem Hauptbahnhof in Hamburg:

"Sehr geehrte Reisende! Die Wagen der 1. Klasse befinden sich heute am Abschnitt A und B, die Wagen der 2. Klasse in Abschnitt C bis F." Gerenne - denn jeder muß ans genau gegenüberliegende Ende des Bahnsteiges.
Weiter gehts: "Die Wagen mit den Nummern 23 bis 29 werden heute nicht mitgeführt. Reisende mit Platzreservierungen in diesen Wagen fahren mit diesem Zug mit." Blick auf die Platzreservierung - Wagen 23 Platz 17. Aha. Meine Platzreservierung war also umsonst. Das kann ja heiter werden! Der Zug fährt ein und das Hauen und Stechen um die Plätze beginnt.
Der Zug fährt los. "Grüß Gott im ICE..." Häh? Achso, der Zug fährt bis nach München. Diese Begrüßung hört man im Norden sonst eher selten bis gar nicht.
Der Zug hält mitten auf der Strecke. "Wegen eines Personenschadens fährt der Zug heute über Stendal. Die Fahrzeit verlängert sich um 30 Minuten." ...

Wo bin ich gestern gewesen? Genau - in Berlin!

Ein paar Tage nach unserem Umzug hat meine Freundin ihren Sohn bekommen. Den mußte ich mir unbedingt anschauen. Der Kleine ist schon ganz schön groß.


Ich habe nicht vielen Leuten von meiner Fahrt erzählt, denn meine Zeit ist begrenzt. Wen trifft man da? Wen nicht? Wieviele Personen kann ich an einem einzigen Tag treffen? Hoffentlich fühlt sich niemand übergangen.
Ich habe also 3 Freundinnen getroffen. Für jede von ihnen hatte ich genau 2 Stunden Zeit. Ich war also Kaffee trinken, habe eine Suppe bekommen, war spazieren. Alles ganz angenehm, ohne Streß. Es tat gut, bekannte Gesichter zu sehen.

Und wie habe ich mich gefühlt? Ich habe die ganze Zeit in mich hineingehorcht.
Vor genau 2 Monaten sind wir von Berlin nach Hamburg umgezogen. Wenn ich hier in Hamburg einkaufen bin, fühle ich mich manchmal wie im Urlaub. Alle reden anders. Wenn ich irgendwo hinfahren möchte, muß ich mir vorher im Internet die Verbindungen raussuchen.
Als ich in Berlin aus dem Zug stieg, wußte ich gleich, wo ich hinmuß. Ich bin ganz automatisch gelaufen, denn ich mußte nicht über meine Wegstrecke nachdenken. Das fand ich ganz angenehm.
Als ich mit der S-Bahn an meiner alten Straße vorbeigefahren bin, habe ich mich und das Mutzelchen gesehen, wie wir dort spazieren gingen. Es hat ganz kurz gepiekt, aber ich habe nach vorne gedacht und nicht zugelassen, daß ich mich jetzt in den Gedanken reinsteigere.
In nur zwei Monaten hat sich tatsächlich viel getan. Unseren Bäcker gibt es leider nicht mehr. Ein Kinderbuchladen und ein Kinderschuhladen haben eröffnet. Die Straße wird repariert. Das Einkaufszentrum feiert 10jähriges Jubiläum. Die Currywurstbude ist jetzt ein arabischer Imbiss. Ein Weinladen hat eröffnet. Am Bürgerpark steht eine alte Wasserpumpe, die dort vorher noch nicht stand.
Ja, ich habe mich wohl gefühlt. Aber am Abend habe ich mich auf zu Hause gefreut. Mein zu Hause. Auf den Ort, wo mein Mann und meine Kinder sind. Und dieser Ort ist in Hamburg.
Am Abend im Dunklen vor dem Berliner Hauptbahnhof fiel mir ein, daß ich gar keine Fotos gemacht hatte. Da sah ich in der Ferne die Lichter des Potsdamer Platzes leuchten und machte noch ein Beweisfoto. Die Lichtbänder sind Autos, die dort fuhren.


Als ich zum Himmel blickte, stand dort hell und fast voll der Mond und leuchtete mit seinem beruhigenden hellen Silberschein. Es war in dem Moment fast ganz still in der Mitte Berlins. Und ich dachte so bei mir, daß ja in Hamburg genau derselbe Mond am Himmel steht. Und daß Hamburg ja gar nicht so weit weg ist von Berlin.

15 Kommentare:

  1. Ja, wenn man eine Reise macht, dann hat man was zu erzählen.

    Das Thema mit der Bahn kenne ich. Mein Lieblingsatz ist dann: Wir bitten um ihr Verständnis.

    Das fehlt mir allerdings meist...

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  2. Das war ja eine kleine Liebeserklärung an dein Berlin - und auch an dein neues Zuhause hier in Hamburg. Schön, dass ihr euch hier offenbar ganz wohlfühlt. Auch wenn Heimat natürlich immer Heimat bleibt.
    Ich finde es auch immer wieder beruhigend, dass wir alle aller Orts ein und denselben Mond sehen. Das hat du schön erzählt...

    LG

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  3. Das "komische" Gefühl in der Heimat schwindet nach und nach. Bei mir hat es ca. ein Jahr gedauert.
    Gruß
    Tinka

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  4. Ich kann das richtig nachfühlen, bin aber jetzt nach 3 Jahren wirklich "zu Hause" hier in Hamburg und stelle immer wieder fest, daß Berlin nur einen gefühlten Katzensprung entfernt ist.

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  5. :o)))) JA, Genau...das ist die Bayerische Begrüßung. *schmunzel"
    Hört sich auf jeden Fall nach einer schönen Heimatreise an.

    lg
    Bettina

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  6. Das liest sich so schön! Ich hab mich damals nach dem Umzug von Berlin nach München viel zu lange gegen die neue Heimat gewehrt! Heute brauch ich hier keinen Fahrplan mehr, dafür jetzt in Berlin, denn nach meinem Wegzug wurden Linien umbenannt und es gab ne Ringbahn! :)
    Ich glaube diese kurzen Rückfluchten helfen beim Ankommen im neuen Zuhause!

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  7. Ist es wirklich schon zwei Monate her, wie die Zeit doch vergeht. Ich finde Du hast es genau richtig gemacht. Kann mir gut vorstellen das Du ein bisschen ein mulmiges Gefühl hattest. Aber Du hast Recht zu Hause ist da wo die Familie auf Dich wartet.
    LG Micha

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  8. *hachja*
    Wenn ich es andersrum doch auch so sehen könnte...
    Geht aber nicht.
    Vielleicht in 10 Jahren.
    Oder so.
    Oder nie.
    Wer weiss...

    Schön geschrieben dennoch. ;)

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  9. Manchmal kann ein neuer Anfang in der "Fremde" auch etwas Schönes haben, wenn man es nur zulässt wird vielleicht eine zweite Heimat draus.
    Ich bin vor 8 Jahren von der schönen Ostseeküste an den Stadtrand von Hamburg gezogen, anfangs tat es mehr weh, heute freue ich mich, wenn ich wieder nach Hause komme :o)

    Ich wünsche Dir, dass es Dir bald auch so geht, und die Hauptsache ist doch, das Ihr gesund und munter seit und als Familie zusammenleben könnt.
    Das wird schon, wenn Dich das Heimweh wieder packt, setzt Du Dich einfach?? *mit der Bahn eher unwahrscheinlich, aber na ja ;o)* in die Bahn und tankst ein wenig Berliner Luft.

    Ich wünsche Euch alles Liebe und viele schöne Momente in Hamburg!!
    Das Landei :o)

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  10. JAJA!!
    Ich sehn mich nach dem guten alten Hamburg...

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  11. Jetzt sag bloß, den Bäcker John gibts nicht mehr *kreisch*
    Aber unglaublich, wieviel sich in zwei Monaten verlängert, oder?
    Du klingst aber so, dass du in HH schon gut aufgehoben bist. Das Pieksen innen in Berlin bleibt dir bestimmt noch ne Weile, aber das ist ja nicht schlimm.
    Und wenn du mal bissel länger da bist, machen wir hier ne Dampferfahrt!
    LG Ute

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  12. Ute, keine Sorge, den Bäcker John gibt es noch!

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  13. Als ich die Bahngeschichte gelesen haben, habe ich nur gedacht: hoffentlich hatte sie keine Kinder dabei!
    Hattest Du ja nicht.... :-)
    Wie schön, dass Du eine schöne Zeit in Berlin hattet, es genossen hast, aber doch nicht all zu traurig wieder HEIM gefahren bist!
    LG BINE (die aug Hochtouren arbeitet!)

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  14. Was die Bahn angeht, kann ich dieses Buch empfehlen:
    Wir danken für Ihr Verständnis!
    Herausgegeben von Käthe Lachmann mit Texten zur Bahnfahrt von ihr, Eckart von Hirschhausen, Johann König, Ingo Oschmann, Martina Brandl und vielen anderen.
    Es erleichtert die Bahnfahrt ungemein.
    Willkommen zurück aus der lebendigsten Stadt der Welt in der schönsten Stadt der Welt :D

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