Als ich das Päckchen öffne, das mich Mitte Januar erreichte, purzeln mir "Pfeffis" entgegen. So nannten wir die kleinen eckigen Zuckerbonbons, die es in den Sorten Pfefferminze oder Zitrone gab.
Sofort springen die Erinnerungen in meinem Kopf an. Was haben wir gelacht im Sommer 1989 auf der Fahrt mit dem Linienbus von Potsdam nach Kuhfort! Unsere Gruppenbetreuerin Claudia war witzig und cool und hübsch, die ganze Gruppe hat von ihr geschwärmt. Im Bus hatte sie sich plötzlich zwei Pfeffis in ihren Mund zwischen Oberlippe und Schneidezähne geklemmt. Sie sah nun aus wie ein Hase und redete auch irgendwie so. Wir machten es ihr nach, erzählten "Hattu Möhrchen - Witze" und hatten eine sehr vergnügliche Fahrt.
Nach einem Ausflug nach Potsdam kehrten wir nun wieder zurück ins Ferienlager. Das lag mitten im Wald. Im Zentrum befand sich ein Hauptgebäude mit der Küche, einem großen Speisesaal, der Krankenstation und Büros. In dem Haus lebte auch der Lagerleiter. In einem weiteren festen Gebäude gab es einige Schlafsäle und Waschräume. Drumherum noch ein paar Bungalows, ein Haus mit Toiletten und Waschräumen, ein Spielplatz und ein Sportplatz. Hier ist ganz unten auf den letzten beiden Seiten die Rede von dem Ferienlager. Das Haus steht sogar noch!
Hier ist so ein Schlafsaal. Ich bin die Verdeckte mit den kurzen Haaren.
Das war 1988, das einzige Mal, dass ich eine Weile im oberen Bett schlafen durfte. Ich war meist zu langsam und nicht ehrgeizig genug, wenn es beim Beziehen der Zimmer um die Verteilung der Betten ging. Doch als wir mal getobt haben und von Bett zu Bett gesprungen sind, sprang ich daneben und fiel runter. Obwohl ich mir nichts getan hatte, musste ich den Rest des Aufenthaltes doch wieder unten schlafen.
Meine Mutter arbeitete in einem Labor der "Akademie der Wissenschaften" in Berlin-Buch. Der Betrieb hatte ein Ferienlager in Kuhfort, einem Ortsteil von Potsdam, nur 3 Kilometer westlich vom Park Sanssouci. Die Kinder der Angestellten konnten dort 2 oder 3 Wochen ihrer Sommerferien verbringen.
Nach dem 2. Schuljahr, da war ich 9 Jahre alt, fuhr ich das erste Mal in den Sommerferien ins Ferienlager und ab da jedes Jahr bis zum Sommer 1989. Weil der Betrieb so groß war, kannte ich vorher meistens kein anderes Kind. Das hier sind die einzigen Fotos von all meinen Ferienlageraufenthalten*. Das war 1988. Die Klamotten haben wir untereinander munter getauscht. Ich bin in der unteren Reihe ganz links. Das schwarz-weiße Kleid oben war meins und die bestickte Bluse mit dem Rüschenrock unten. Ich finde uns alle ziemlich cool :-)
Ich habe das Ferienlager geliebt! Von zu Hause fort zu sein, machte mir überhaupt nichts aus. Es gab Kinder, die weinten vor Heimweh. Ich nicht. Ich genoss die Freiheit, vom Alltag und der Familie weg zu sein. Von mir aus hätte der Aufenthalt noch länger dauern können. Was unser Verhältnis recht gut beschreibt.
Wobei das Lagerleben doch ziemlich durchorganisiert war. Es gab Morgensport, Wanderungen, Ausflüge in die Stadt, ins Museum, ins Kino, Wettkämpfe, Tischtennisturniere, bunte Abende, Disko, Nachtwanderungen und die berühmt-berüchtigte Neptuntaufe. Der Schwerpunkt lag natürlich auf den Gruppenerlebnissen. Alle machten mit, waren beschäftigt und hatten ihre Aufgaben. Doch es gab auch unbeobachtete Augenblicke, viel Spaß, eine Menge Streiche, nächtliche Ausflüge in die Jungszimmer, Freundschaften und erste Küsse hinter dem Speisesaal.
Doch ich schweife ab. Dorit Linke hat ein Buch über genau solche Ferienlagergeschichten geschrieben. Aber aus der Sicht von zwei Kindern von heute. Mats und Rea drehen am Rad der Geschichte (Amazon-Partner-Link) und landen durch eine geheimnisvolle Telefonzelle (!) in der DDR in der Nähe eines Ferienlagers. Sie machen Bekanntschaft mit einigen Kindern, erleben, was passiert, wenn man Widerworte gibt und erahnen, was es heißt, in einer Diktatur zu leben.
Das alles ist ganz spannend und sehr leicht lesbar geschrieben. Der Blick auf die Figuren ist liebevoll. Ohne zu aufgesetzt zu klingen, fließt ganz nebenbei Wissen über die DDR mit ein. Es tut gut zu lesen, dass unter den Kindern ein starker Zusammenhalt besteht. Mich haben die Begriffe von heute ein bisschen irritiert, z.B. sagen die Kinder von heute oft "cringe" u.ä. Aber das holt die Kinder von heute wahrscheinlich gut ab. Ich bin echt gespannt auf weitere Teile und wünsche der Reihe und vor allem der Autorin viel Erfolg!
PS: Ich mag das Cover. Es erinnert mich stark an "Emil und die Detektive". Ich danke für das Rezensionsexemplar. Und die Pfeffis.
Ich danke für das Mitlesen und die Anteilnahme. Hier gibt es die Möglichkeit, etwas in die virtuelle Kaffeekasse zu tun. Vielen Dank dafür!
So schoene Erinerungen! Fuer uns ging es seit der 2. Klasse jedes Jahr fuer drei Wochen nach Trassenheide. Ich lebe jetzt mit meiner eigenen Familie im Ausland, meine Kinder koennen sich nicht vorstellen das wir ohne Handy usw. in diesen drei Wochen keinen Kontakt zu unseren Eltern hatten. Vor drei Jahren war ich das erste mal seit der Wende wieder auf Usedom. Herrlich!
AntwortenLöschenUnsere Lieblingsbuecher waren "Frank" und "Frank und Irene". :-)
AntwortenLöschenLiebe Carola, das ist eine sehr schöne Erzählung von dir. Bei so etwas werde ich immer ein bissche melancholisch, weil ich mich dann auch gleich in diese Zeit zurück versetzt fühle. Wir sind beide der gleiche Jahrgang und drum kann ich gut mitfühlen. Schade, dass es alles so schnell vergeht. Aber das war doch erst gestern, will man da sagen. 😊 Wenn man so zurück denkt, dann fühlt sich das alles so leicht und unbeschwert an. Gerne mehr von deinen Kindheitserinnerungen. So schön zu lese 🧡Liebe Grüße Sabine
AntwortenLöschenWas für wunderbare Erinnerungen, liebe Caro.
AntwortenLöschenIch hatte nur einmal das Glück, einen Platz im Ferienlager zu bekommen, das war 1990, also schon nach der Wende, Umbruchzeit. Wir genossen noch den Zusammenhalt und die Vorzüge eines solchen Lagers, aber ohne die "Zwänge" der DDR (z.B. Frühsport). Die Erinnerungen an diese 2 Wochen damals sind mir sehr kostbar.
LG von TAC
Auch ich war soooo oft im Kinderferienlager an der Ostsee .Erst als Kind ab 18 dann als Betreuerin . In Boltenhagen standen die Metallbetten in großen Zelten . Nach Dunkelheit wurde der Strand ständig mit großen Scheinwerfern nach Menschen abgesucht , die evtl . Über die Ostsee flüchten wollten .
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