Dienstag, 27. März 2018
Spaziergang in Barcelona (2)
13. März 2018
Ich betrete die Basilika gegen 15 Uhr mit meinem Großen am Eingang der Fassade mit den Szenen der Geburt Jesu. Vorher haben wir unsere Onlinetickets vorgezeigt und wurden durch eine Sicherheitsschleuse gelotst. Dann haben wir die Geräte für eine Audio-Führung abgeholt und gehen durch ein reich verziertes Portal endlich in das Gebäude hinein.
Vom Licht geblendet bleibe ich wie angewurzelt stehen.
Obwohl ich mich inmitten einer großen Reisegruppe befinde, bin ich plötzlich ganz allein. Ich bade in dem orange-goldenen Licht, das von oben auf mich herab fällt. Genau mir gegenüber befindet sich in der Höhe ein ovales Fenster, das das Sonnenlicht hereinlässt. Mir wird ganz warm. Orgelspiel setzt ein und füllt den hohen Raum mit wunderbarem Klang. Mir laufen die Tränen. Menschen wuseln um mich herum, aber ich schaue einfach nur andächtig auf das Licht.
Dieses Licht!
Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich ein Kirchengebäude mit einem so hellen Innenraum gesehen! Ich schaue mich vorsichtig um. Ganz schlanke filigrane Säulen stützen die ungewöhlich hohe Gebäudedecke. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich da oben blattartige Strukturen. Wie ein Wald wirkt das Gebäude von innen. Das orangene Licht kommt von den farbigen Fensterscheiben mir gegenüber. Wunderbare Mosaiken in warmen Farben laden zum Entdecken ein.
Nach der ersten ehrfürchtigen Starre bewege ich mich langsam fort. Ich will nichts von dieser besonderen Stimmung verpassen und alles aufsaugen, was ich vor die Augen bekomme. Ich treffe meinen Großen wieder und gemeinsam gehen wir um den Innenraum, der noch eine Baustelle ist, herum. Von drüben sehen wir die Mosaikfenster nochmal ganz genau. Auf der Nachmittagssonnenseite sind alle Scheiben hauptsächlich rot-orange-gelb. Auf der gegenüberliegenden Morgensonnenseite sind die Scheiben hauptsächlich grün-blau-lila. Was für Kunstwerke!
Unser Zeitfenster für die Besichtigung des Turmes beginnt und wir begeben uns zum Fahrstuhl. Nach einer kurzen Wartezeit fahren wir 65 Meter hoch hinauf. Den Ausblick über Barcelona wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Über ein paar Stufen gelangen wir auf einen schmalen Gang mit Ausguck. Wir blicken Richtung Meer, wo wir am Abend vorher noch beim Sonnenuntergang gesessen und gegessen haben. Weil viele Personen nachkommen, laufen wir weiter und können das Bauwerk von oben sehen. Unzählige Türmchen, Spitzen und Vorsprünge, Mosaiken, Fabelwesen und eine Art Früchte sind zu entdecken. Beeindruckend. Alles wirkt auf mich wie ein unerklärliches System, ein Wunder, wer da durchsieht.
Dann müssen wir wieder hinab. Das geht nur über eine schmale Wendeltreppe. Sie windet sich um einen großen Hohlraum, der tief, tief, tief nach unten reicht. Ich bin froh über die Wände links und rechts, so kommen wir gut voran. Zwischendurch blicke ich immer wieder mal durch ein Fenster in der Wand. Dann kommt ein schmaler Gang und eine neue Wendeltreppe beginnt. Nur andersrum, viel dunkler und viel, viel schmaler. In der Mitte befindet sich nun keine Wand mehr und auch sonst kein einziger Halt. Ich mache den Fehler und schaue in das Loch in der Mitte. Es ist schwarz und völlig bodenlos. Wie weit ist es denn noch? Mit der linken Hand halte ich mich krampfhaft am Handlauf fest. Weil meine linke Schulter angeschlagen ist, bin ich etwas unsicher und habe große Angst, in dieses Loch zu fallen. Hinter mir kommen schon die nächsten Personen nach, also muss ich mich mit dem Abstieg beeilen. Ich schwitze.
Als wir nach unendlichen Minuten endlich unten angelangt sind, bin ich völlig fix und fertig und wackelig auf den Beinen. Ich setze mich im Kirchenraum erstmal auf eine Bank an der Wand und verschnaufe. Mein Großer dreht noch eine Besichtigungsrunde mit seinem Audio-Guide auf den Ohren. Ich sitze einfach nur da und lasse diesen unglaublichen Bau, an dem noch bis zum Jahre 2026 gebaut wird, auf mich wirken. Das ganze Vorhaben ist nicht unumstritten und schon mehrfach wurde um Baufortschritt oder Baustopp gerungen.
Mein Großer taucht wieder auf und wir setzen uns noch kurz in den Sitzbereich vor dem Altar. Das Orgelspiel setzt wieder ein. Wir sitzen nebeneinander und hören zu. Um uns herum dieses gewaltige Gebäude, Menschensummen und Licht, Licht, Licht.
"Na guuuuut, ich kann mir die Sagrada Familia ja mal anschauen, wenn ich schonmal da bin." dachte ich vorher. Ich war so dumm. Ich werde mein restliches Leben daran zurückdenken.
Onlinetickets mit einem persönlichen Zeitfenster gibt es hier.
2 Kommentare:
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So, genau so, ging es uns auch. Dieses unglaubliche Gefühl beim Betreten der Sagrada, diese Ehrfurcht, diese Wärme, dieses Licht.
AntwortenLöschenUnfassbar.
Ja.
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