Der zweite Moment, als ich alleinerziehend wurde, ist die Geburt meines Sohnes selbst. Als die Geburt losgeht, ist mein Mann über Stunden nicht zu erreichen. Ich fahre alleine mit meiner Beleghebamme und meiner Freundin in die Klinik und hinterlasse in der Wohnung einen Zettel. Irgendwann steht mein Mann im Kreißsaal. Ich brauche ihn nicht. Mit Hilfe meiner Hebamme und meiner Freundin bringe ich meinen Sohn zur Welt. Ich bin stolz auf mich und glücklich über meinen gesunden Sohn. In den Augen meines Mannes strahlt kein Glück, keine Anteilnahme. Gegen Mitternacht, zwei Stunden nach der Geburt, sind wir wieder zu Hause. Ich bin aufgewühlt und schaue die ganze Nacht mein Baby an. Mein Mann hat sich zur Seite gedreht und schläft. Am nächsten Morgen springt er um 7 Uhr aus dem Bett und ruft: "Ich muss los, mach dir dein Frühstück selber!" und weg ist er. Ich bin total erschrocken und beende genau in diesem Moment mein Wochenbett.
In den nächsten ein, zwei Jahren versuche ich, mich zusammenzureissen. Wir sind schließlich verheiratet und haben einen gemeinsamen Sohn. Ich bin zudem noch mitten in der Ausbildung und habe kein eigenes Einkommen. Unser Familienleben ist reine Fassade. Wir haben getrennte Zimmer, fahren nie in den Urlaub, tauchen höchstens auf Familienfeiern gemeinsam auf. An den Wochenenden ist mein Mann im Büro oder in der Kneipe. Ich mache alleine oder mit einer Freundin Ausflüge und Unternehmungen mit meinem Sohn.
Im Sommer 2000 stirbt mein Opa. "Wir haben uns nie geliebt." erzählt mir meine Oma am Ende dieser jahrzehntelangen Ehe. "Ich habe immer nur ausgehalten." Und da weiß ich, dass ich so nicht leben möchte. Ich möchte nicht am Ende meines Lebens sagen, ich hätte nie geliebt, ich hätte vielleicht gerne anders gelebt, ich habe immer nur ausgehalten. Nein, ich habe nur dieses eine Leben!
Im Kopf bin ich da längst raus aus meiner Ehe. Es dauert noch ein paar Monate, bis ich den Mut habe, mich wirklich zu trennen. Es ist einer der traurigsten Momente meines Lebens. Es gibt viel Angst, viele Tränen und viel Schmerz. Eine ganze Welt stürzt ein. Nun gut, es war vielleicht doch eher ein Kartenhaus. Meine Erwartungen, Träume und Wünsche für ein Familienleben haben sich nicht erfüllt. Es tut mir unendlich leid für meinen Sohn, der ein intaktes Familienleben nie kennenlernen wird. So sehr ich mich auch bemüht habe - ich gebe auf. Weihnachten 2000 bin ich wirklich alleinerziehend.
Mit Hilfe meiner Eltern komme ich langsam auf die Beine. In den Wochen nach der Trennung wohne ich mit meinem Sohn in meinem alten Kinderzimmer. Ich muss viele Ämtergänge unternehmen, beantrage Sozialhilfe, sitze stundenlang in langen Behördenfluren. Dann finde ich eine kleine Wohnung für mich und meinen Sohn. Ich bekomme einen Kindergartenplatz für ihn, bringe meine Ausbildung zu Ende und finde eine Arbeitsstelle. Für große Sprünge reicht es nicht, das Geld ist sehr knapp. Nebenbei das jahrelange Ringen um die Scheidung und um den Kindesunterhalt, der erst spärlich ist und irgendwann ganz ausbleibt.
Mir geht es trotz alledem sehr gut alleine mit meinem Sohn. Wir sind uns sehr nah und haben viel Freude miteinander. Ich renoviere und handwerke alleine, bringe Lampen an und sorge für unseren Lebensunterhalt. Ich bin jung, ungebunden und habe einen tollen Sohn. Im Grunde bin ich gar nicht so allein, denn wir sind wunderbar eingewoben in ein Netz aus Familie, Freundschaften und sehr guter Nachbarschaft. Mir geht es gut. 2006 lerne ich den Liebsten kennen und wechsle von alleinerziehend zur Patchworkfamilie. Aber das ist eine andere Geschichte.
![]() |
Sommer 2001 |