Sonntag, 29. Dezember 2013

Ein Klotz Holz

Da steht er nun vor mir, dieser riesige Klotz Holz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich da jemals eine Figur herausschälen werde. Als ich den Holzbildhauerkurs gebucht habe, schwebte mir eine große Skulptur für den Garten vor. So eine, wie ich sie im Sommer auf dem Kunsthandwerkermarkt gesehen hatte. Jetzt werden meine Vorstellungen immer kleiner. Vielleicht eine Figur für den Nachttisch?

Anfang Dezember sitze ich mit 8 anderen interessierten Menschen im Keller der Volkshochschule Hamburg. Es ist sehr kühl, es riecht nach Holz und Staub. Der erste Abendtermin gilt dem Kennenlernen von Werkzeug und Material. Der Holzbildhauer, der den Kurs leitet erzählt: Flacheisen, Hohleisen, Gaißfuß. Stich 9/20. Stich 12/8. Mit dem großen Klüpfel aus Holz wird auf die Eisen geschlagen, um das Werkstück zu bearbeiten. Mir schwirrt der Kopf. Alles ist so neu und abstrakt. 3 Stunden lang hören wir noch viel Wissenswertes über Holz allgemein. Zum Beispiel trocknet Holz sehr langsam. Nur 1cm pro Jahr. Wird Holz vom Fuße des Baumes nahe der Wurzel verarbeitet, werden die Eisen schneller stumpf, da das Wasser, das aus der Erde aufgenommen wird, auch feine Sandkörner mit sich führt. Wir bekommen Literaturempfehlungen und einen Einblick in die Arbeiten des Bildhauers.

Am nächsten Morgen stehen wir vor den riesigen Holzklötzen. Jeder darf sich einen aussuchen. Mich spricht ein querliegender Klotz aus hellem Holz an. Pappelholz, wie ich später erfahre. Und erst da kommt mir die Idee, was für eine Figur ich gestalten möchte. Zunächst erstellen wir ein kleines Modell aus Ton. Da ich früher lange getöpfert habe, fällt mir das leicht. Es soll ein Fisch werden. Ein bisschen geschwungen, damit er dynamisch aussieht. Aber wie bekomme ich nun die Form ins Holz? Mit einem Stückchen Kohle zeichne ich Markierungen auf. Ich brauche eine ganze Weile, um einen Anfang zu finden. Mit einer Säge werden die gröbsten Konturen geschaffen. Dann geht es los. Welches Eisen soll ich benutzen? Wie halte ich das Eisen? Wie den Klüpfel? In welchem Winkel halte ich das Eisen, damit ich nicht nur ins Holz reinschlage, sondern Stücke abschlage? Irgendwann läuft es besser. Ich gewöhne mich an die Werkzeuge und an das Material und werde mutiger.

Mein Pappelholz ist sehr weich. Das ist zunächst gut. Ich brauche nicht so viel Kraft, wie bei härterem Holz. Dafür ist die Struktur sehr faserig und manchmal brechen mir große Stücke einfach weg. Je mehr ich vom Holzklotz wegschlage, desto schwieriger wird es, das Werkstück noch vernünftig auf der Werkbank einzuspannen. Als ich so langsam eine Vorstellung von meiner Figur bekomme, sind 6 Stunden rum. Meine Hände, Arme und Schultern tun sehr weh. Meine Ohren klingeln von der Lautstärke. Am liebsten würde ich alles hinschmeißen. Was habe ich mir nur dabei gedacht, als ich mir diesen Kurs ausgesucht habe?!

Am nächsten Tag weiß ich, ich habe im Grunde nicht mehr viel Zeit. Jetzt geht es nur noch darum, in den verbleibenden 6 Stunden, die Arbeit irgendwie zu einem guten Abschluss zu bringen. Da sind nur noch das Holzstück und ich. Mechanisch behaue ich das Holz. Versuche einen Rhythmus zu finden. Ignoriere meine lahmen Arme. Wenn ich fertig werden will, muss ich Abstriche in Kauf nehmen. Der Kursleiter macht uns allen Mut. Es gehe nicht darum, ein perfektes Abbild zu erschaffen. Es reiche, eine Ahnung zu erwecken. Gut, eine Ahnung von einem Fisch kriege ich vielleicht hin. So arbeite ich die Kiemen und die seitlichen Flossen heraus und versuche, die Oberfläche gleichmäßig zu behauen, dass eine Struktur wie Fischschuppen entsteht. Mit der Kettensäge wird der untere Teil etwas eingekürzt. Uff. Meine Ahnung von Fisch ist fertig. Mein Weihnachtsgeschenk für den Liebsten.

Zu Hause habe ich die Figur mit weißer Lasur überzogen und den Sockel mit einer Seekarte von der Ostseeküste in Kühlungsborn beklebt.

Warum ich so einen Kurs mache? Um etwas für mich zu tun. Auch wenn mein Körper ob der ungewohnten Bewegungen ziemlich schmerzte, hat sich mein Horizont ein Stückchen erweitert. Ich habe ein paar Stunden über etwas Neues geredet, etwas Neues getan und war mit meinen Gedanken weit weg von meiner Familie und vom Alltag. Das tut mir gut und meine Familie profitiert auch davon, wenn ich mich dann wieder ausgeglichener in den Familientrubel stürze. Der nächste Kurs darf aber gerne etwas filigraner werden.