Montag, 24. Juni 2013

Rosig

Meine ersten 8 Kinderjahre verbrachte ich auf dem Dorf. Das lag zwar auch in Berlin, aber neben unserem Haus waren weit und breit fast nur Felder. Die Straße hatte keinen Bürgersteig und nicht mal einen Namen. Straße Nummer 52 hieß sie. In der Mitte der Straße standen die Briefkästen für alle Anwohner. Der Postbote machte oben eine große Klappe auf und verteilte die Post auf alle Fächer. Die Kinder der Straße stromerten schon im Vorschulalter durch die Gegend. Wir spielten Verstecken im hohen Getreide und ließen im Herbst auf dem Stoppelfeld unsere Drachen steigen. Wenn Kohle für die Kachelöfen in unserem Haus geliefert wurde, kippte ein Laster einfach einen großen Haufen vor dem Zaun auf die Straße. Mit Eimern und Schubkarren wurden die schwarzen Brocken ums Haus gebracht und durch eine Luke in den Keller geschüttet.

Ich denke noch oft an diese Zeit zurück. Die Welt jenseits unseres Gartenzauns war riesig. Innen drin waren wir geschützt und hatten unsere kleine heile Welt. An der Grenze zu den einzigen direkten Nachbarn war kein Zaun. Da standen Rosenbüsche. Sie wurden von den alten Nachbarn gehegt und gepflegt. Zwischen den Büschen waren Lücken. Ab und zu bin ich hindurchgeschlüpft und habe mir nebenan eine kleine Leckerei abgeholt. Im Sommer, um meinen Geburtstag herum, blühten die Rosen in allen Farben. Seit damals ist der Rosenduft einer meiner liebsten Düfte. Ich kann an keiner Rose vorbeigehen, ohne daran zu riechen.

Jetzt habe ich meine ersten eigenen Rosen im Garten. Von Freunden bekamen wir einen Rosenbogen geschenkt. Daran darf jetzt eine widerstandsfähige zartrosa Kletterrose emporwachsen. Unser Gärtchen bietet keine leichten Bedingungen. Wie freue ich mich über die ersten Blüten! Sie duften ganz dezent und die vielen Knospen versprechen noch viel mehr Blütenpracht.

Was ich sehr mag ist Rosenlassi. Lassi ist ein Joghurtgetränk, das es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Mangolassi ist ganz bekannt. Es ist ganz erfrischend. Für den Rosenlassi mixe ich im Standmixer Joghurt und Milch im Verhältnis 1:1 z.B. 150g Naturjoghurt, 150ml Milch, 1 EL Schmand, 1-2 EL Zucker oder 1 EL Reissirup und 1 EL Rosenwasser. Rosenwasser bekommt man in der Apotheke. Mmmmmmmhhhhhh, probier es mal aus!

Die Felder in dem Berliner Dorf meiner Kindheit sind fast alle verschwunden. Ganze Wohnsiedlungen wurden darauf errichtet. Direkt hinter unserem Gartenzaun erheben sich Reihenhäuser, dicht an dicht.
Und gerade habe ich ein paar Tränchen verdrückt. Bei Google Maps habe ich mir unser altes Haus angeschaut. Es ist jetzt weiß verputzt. Durch einen großen Anbau ist der Garten fast zugebaut. Aber die Rosenbüsche beim Nachbarn gibt es noch! Wie wunderbar! Allerdings trennt jetzt ein Zaun die Grundstücke voneinander. Seufz.