... ich bin die Heike und mein Kind schläft schon durch!"
Das war der allerallererste Satz, der im Rückbildungskurs vor 14 Jahren fiel. Ich weiß ihn heute noch. Unsere Babys waren ca. 3-4 Monate alt. Ich konnte es gar nicht fassen, aber die Runde ging tatsächlich so weiter. Jede Mutter definierte sich über die geleisteten Schlafstunden ihres Babys. Niemand stellte das in Frage. Man will ja nicht gleich auffallen, nicht wahr?!
Als die Runde an mir war, murmelte ich sowas wie "... ähm... und ich bin zufrieden mit meinem Baby, so, wie es ist." Was schon schwer genug für mich war.
Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass mein Baby sehr speziell war. Es schaute immer skeptisch. Es mochte keine fremden Leute und keinen Lärm. Es brauchte seinen gewohnten Tagesablauf. Ich besuchte einen PEKIP-Kurs. Ich war die Mutter, die fast die gesamte Stunde über mit dem Baby auf dem Schoß auf dem Ball saß und auf und ab wippte. Mein Kind wollte nichts von den anderen Kindern wissen. Es wollte auch nicht ohne Kleidung auf dem Boden liegen. Schon gar nicht auf dem Bauch. Und ich war die Mutter mit dem Fläschchen. Auweia.
Ich setzte den Kurs nicht fort.
Ich besuchte einen Babyschwimmkurs. Nach der ganzen Auspellerei war mein Baby schon so genervt, dass es im warmen Wasser nur noch schrie. Die anderen Mütter mit ihren entspannten Babys guckten von mitleidig bis genervt. Nach 5 Minuten waren wir wieder draußen. Ich setzte den superteuren Kurs nicht fort.
Mein Baby konnte ich nicht überall mit hinnehmen. Mein Baby bewegte sich wenig. Mein Baby schlief am besten in seinem eigenen Bett. Und nur dort. Mit 8 Monaten konnte es sitzen. Und saß und saß. Rollte nicht. Robbte nicht. Krabbelte nicht. Übte nicht, sich hochzuziehen oder gar zu laufen. Mein Baby war anders als in allen Ratgebern und als alle anderen Babys in meinem Umkreis. Mit 15 Monaten lief mein Junge ganz plötzlich.
Später ging das so weiter. Bis heute. Mein Junge hatte eine alleinerziehende Mutter. Mein Junge wollte niemals telefonieren. Mein Junge hat im Kindergarten andere Kinder getreten. Mein Junge hat keinen Musikkurs besucht. Mein Junge kannte sich nicht mit Star Wars aus. Mein Junge hat im Schwimmunterricht geweint. Mein Junge wurde frühzeitig eingeschult. Mein Junge war immer der Klassenbeste. Mein Junge hat wenig ferngesehen. Mein Junge war nie im Urlaub. Mein Junge musste in den Ferien mit auf meine Arbeitsstelle. Mein Junge hatte kein Handy. Mein Junge hatte kein Facebook. Mein Junge soll um 18 Uhr zum Abendessen zu Hause sein. Mein Junge darf keine Computerspiele spielen, die nicht für sein Alter geeignet sind. Mein Junge hat eine Kindersicherung auf seinem Computer. Immer musste ich mir anhören, dass mein Kind ja gar nicht "normal" ist. Wahlweise auch ich. Dass ich das doch mal so und so machen müsste.
Ich habe also schon sehr, sehr früh in meinem Mutterdasein gelernt, nur auf mein Kind und meinen Bauch zu hören. Alle Ratschläge, Entwicklungstabellen und sonstige Ideen griffen einfach nicht bei uns. Wir sind unseren eigenen Weg gegangen. Wurden schief angeguckt. Und haben irgendwann nur noch seufzendes Schulterzucken geerntet. Das alles hat mich gestärkt. Hat dazu beigetragen, gelassen auf die Entwicklung meiner Kinder zu schauen. Alles nicht so ernst zu nehmen.
Und es hat dazu beigetragen, nicht selber anderen Müttern meine Ansichten vorzutragen und überzustülpen. Wäre aus meiner Warte komisch gewesen, oder?! Und warum ist es aus der anderen Sicht anscheinend erlaubt?
Ich wünsche uns allen mehr Gelassenheit!