Sonntag, 19. Dezember 2010
Von alten und neuen Traditionen
Als ich Kind war, durfte ich den Weihnachtsbaum erst an Heiligabend zur Bescherung sehen. Das Wohnzimmer war für uns Kinder den ganzen Tag tabu. Nach dem Gottesdienst am Nachmittag, der mir als Kind ewig erschien, fuhren wir durch die leeren Straßen von Berlin nach Hause. Vom Auto aus konnte ich in beleuchtete Wohnzimmerfenster sehen, wo Familien um den Weihnachtsbaum versammelt waren. Gleich würde auch bei uns Bescherung sein! Wenn dann nach umständlichem Jacken ausziehen, Händewaschen, Hausschuhe anziehen und vor der Wohnzimmertür warten das Glöckchen erklang und die Tür aufging, dann, ja dann war der Moment endlich da. Der Baum stand in seinem festlichen Kleid und verheißungsvolle Päckchen lagen unter ihm. An solche Momente erinnert man sich sein Leben lang. Als wir Kinder größer wurden, haben wir irgendwann das Schmücken des Baumes übernommen. Der Moment vor der Bescherung war nicht weniger schön.
Hat man eigene Kinder, möchte man so viele Traditionen wie möglich weitergeben. Aber was ist, wenn sie nicht mehr passen? Wenn man sich plötzlich fragt, wie die eigenen Eltern das damals bloß alles geschafft haben? Dann macht man sich seine ganz eigene Familientradition. Eine, die man ausprobiert, die jetzt am besten passt, die sich aber vielleicht auch wieder ändern kann. Familientraditionen sind wichtig, aber sollten nicht zum Dogma werden.
Unser Weihnachtsbaum steht jetzt schon in unserem Wohnzimmer. Wir haben ihn gestern mit den Kindern ausgesucht und auch mit den Kindern zusammen geschmückt. Erst ab einem Meter über dem Boden natürlich, wegen des kleinen Bruders ;-) Wir haben das im letzten Jahr am 4. Advent auch schon so gemacht und es hat uns gut gefallen. Wir können den Heiligen Abend ganz ruhig angehen und müssen nicht den Vormittag über so hetzten, weil noch der Baum aufgestellt werden muß, geschmückt werden muß, der Kartoffelsalat gemacht werden muß (noch so eine Tradition) und, und, und... Da wir nach Weihnachten meistens gleich an die Ostsee fahren, haben wir so ein bißchen länger Freude an unserem Baum. In Amerika oder Skandinavien ist das übrigens schon länger üblich, da heißen die Bäume "Adventsbäume". Noch vor ein paar Jahren hätte ich das nie und nimmer gut geheißen. Was ist mit der Tradition?! Das geht doch nicht! Das macht man nicht! Tja, Traditionen können sich ändern und sind trotzdem Teil unseres Familienlebens.
Ich wünsche Euch noch schöne entspannte Tage bis Weihnachten mit vielen schönen Momenten!