Ich bin in Ostberlin groß geworden. Als die Mauer fiel, war ich 13 Jahre alt.
Hört man heute Geschichten über das Leben in der DDR, kann man fast nicht glauben, daß dort ein normales Leben möglich war. Aber dort schien dieselbe Sonne wie im Westen, es wehte derselbe Wind, es gab Sommer und Winter, Morgen und Abend, Wälder, Berge und Seen, Brot und Butter, Eis und Schwäne, Mutter, Vater, Kind...
Nicht alle Ossis hatten nur einen Trabi, nicht alle Ossis haben Campingurlaub gemacht, nicht alle Ossis waren nicht in der Kirche, nicht alle Ossis haben gerne Schlange gestanden, nicht alle Ossis...
Den Ostler gibt es nicht, genausowenig wie den Westler.
Es gab und gibt überall Menschen, die man mag oder auch nicht, die schlau sind, oder dumm, die viel reden oder wenig, die in der Kirche sind oder nicht, die Camping mögen oder auch nicht...
Ich habe mir oft anhören müssen, daß man ja gar nicht merkt, daß ich aus dem Osten komme. Na woran soll man das auch merken?! Und manchmal sagten Männer zu mir, daß Ostfrauen ja so toll sind. Aha.
Ich bin ganz froh, daß ich diese - meine - Erfahrungen machen durfte.
Und natürlich bin ich auch froh, daß die Mauer fiel, bevor ich in der Schule hätte sagen müssen, daß ich anstatt der Jugendweihe die Konformation in der Kirche wähle, bevor ich einen bestimmten Beruf hätte wählen müssen, der mir dann eventuell verwehrt wird, bevor ich meine Kinder mit drei Monaten in die Kinderkrippe hätte bringen müssen, weil es halt so ist und bevor ich wirklich mitbekommen und verstanden habe, was da faul war in diesem meinen Heimatland.