Mittwoch, 30. März 2022

"Sind Sie nicht...

... etwas überqualifiziert für diese Arbeit?" hörte ich vor ein paar Monaten bei einem Vorstellungsgespräch. Wir waren neu in Wismar und ich wollte arbeiten.

Also, nicht dass ich nicht sowieso schon immer gearbeitet hätte. Zur Aussage "nur" Hausfrau und Mutter denke ich mir immer meinen Teil. Wer mit Kindern, egal ob es eins oder mehrere sind, in einem Haushalt zusammenlebt, weiß genau, dass man quasi 24/7 im Einsatz ist. Und das nicht nur mit den Händen sondern auch mit den Gedanken.

Damit Arbeit in der Gesellschaft anerkannt wird, muss es aber schon ein Lohnzettel sein. Als ich in meiner allerersten Elternzeit ehrenamtlich in einer Seniorentagesstätte arbeitete, wurde ich gefragt, warum ich das tun würde. Ich wollte es halt. 


In meiner zweiten Elternzeit habe ich das dritte Kind bekommen und einen Bandscheibenvorfall plus OP. Als ich dann wieder sitzen konnte, saß ich an der Nähmaschine und nähte täglich Produkte für meinen eigenen Shop im Internet.

Das machte ich auch noch in der vierten Elternzeit. Sieben Jahre lang hatte ich meinen Shop. Zusätzlich zur Arbeit in der Schulbibliothek, wo ich den Adventsjungen als Baby einfach mitnahm. 

In der fünften Elternzeit machte ich damit weiter. Die Augustschnuppe war erst ein paar Wochen alt, als sie im Kinderwagen mit in die Grundschule kam. Außerdem begleitete sie mich teilweise mehrmals in der Woche ins Museumsdorf zu meiner ehrenamtlichen Arbeit als Museumspädagogin, wo ich mit Schulklassen die Verarbeitung von Wolle vom Schaf bis zur Socke erkundete oder ihnen zeigte, wie man früher auf dem Dorf lebte. Mit Buchweizenpfannkuchen über dem Herdfeuer backen.

Am Wochenende war ich auch noch als freiberufliche Naturerlebnispädagogin im Naturschutzgebiet unterwegs oder betreute das Informations- und Ausstellungshaus. Das war eine ganz tolle Zeit und ich habe die Arbeit in der Natur und mit den Besucherinnen und Besuchern dort sehr geliebt!

In der Corona-Zeit fielen plötzlich alle Veranstaltungen aus und somit auch mein Einkommen. Ich fand einen Job im Büro, wo ich für den Versand zuständig war.


Vor und zwischen den Elternzeiten arbeitete ich als Erzieherin in verschiedenen Grundschulen im Unterricht, im Hort und in Kindertagesstätten. Nach jeder Elternzeit war mein Job als Erzieherin anderweitig vergeben oder ich war umgezogen. So musste ich mir jedes Mal einen neuen Job suchen. Die zweijährige Weiterbildung zur Naturerlebnispädagogin machte ich nebenbei. 

Als wir letztes Jahr in Wismar ankamen, schaute ich mich nach einer Tätigkeit um. Ich war ganz offen und zog alles in Betracht. Ich meldete mich bei verschiedenen Unternehmen. Wie eingangs schon erwähnt, in der kleinen Pension hätte ich auch im Service gearbeitet. Warum auch nicht?!

Ich las ein Mal in der Woche im Kindergarten vor. Ich fing an, für das Citymanagement zu schreiben. Man gab mir den Namen "Stadtflüsterin", was mich sehr gefreut hat. 

In der Möbelmanufaktur mit dem wunderschönen Laden bin ich seit Dezember u.a. für die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden, für Instagram und das Verpacken und Versenden von Produkten zuständig. 


Seit letzten Sommer arbeitete ich freiberuflich im stadtgeschichtlichen Museum, dem Schabbellhaus. Ich durfte dort ein tolles Team kennenlernen, viele Schulklassen treffen und das Ferienprogramm für Kinder mitgestalten. Ein Traumjob! 


Als dort eine Stelle in der Museumspädagogik frei wurde, bewarb ich mich. Die Anforderungen sind sehr hoch. Das Verfahren zog sich über Monate hin und ich bibberte die ganze Zeit. Hoffnung und Verzweiflung wechselten sich ständig ab. Es war nervenzehrend. 

Gestern durfte ich endlich ganz offiziell meinen Vertrag als Angestellte bei der Hansestadt Wismar unterschreiben. Einen riesigen Packen Papier gab es dazu. Ich schwanke noch zwischen riesiger Freude und nervöser Aufregung. Bauchkribbeln macht irgendwie beides. Am Freitag ist mein erster Arbeitstag. Ich kann es erst dann richtig glauben. 

Tadaaaaaa, mein neuer Arbeitsplatz! Ist er nicht schön?!



Ich danke für das Mitlesen und die Anteilnahme. Hier gibt es die Möglichkeit, etwas in die virtuelle Kaffeekasse zu tun. Herzlichen Dank für die Anerkennung!