Als ich dann am Abend des 03.12. mit meiner Hebamme in der Klinik ankam, fühlte ich mich nicht willkommen dort. Wir bekamen einen Kreißsaal zugewiesen und richteten uns ein. Der kleine Raum war ziemlich spartanisch eingerichtet und von oben bis unten grüngrau gefliest, wie es damals halt so üblich war. Immerhin stand eine der werbewirksamen Badewannen darin. Vom Klinikflur trennte uns nur eine riesengroße Schiebetür.
Der diensthabende Arzt der Abteilung ließ ganz klar durchblicken, was er von uns hielt. Immer wieder kam er zum Gucken und schob dabei demonstrativ die Schiebetür bis zum Anschlag auf. Ich stand unter der Geburt ohne Kleidung in der Mitte des Raumes und hielt mich an einem Seil fest. Ich war den Blicken des fremden Arztes und aller Personen, die den Flur entlangliefen, völlig ausgeliefert. Wenn der Arzt wegging, ließ er die Tür einfach sperrangelweit aufstehen. Ich traute mich damals nicht, etwas zu sagen. Ich dachte, das gehört sich nicht, weil ich ja jetzt hier mein Kind bekomme. Es war ein Ausnahmezustand für mich und deshalb ließ ich das alles geschehen.
Nur 3 Stunden später war ich mit meinem Baby wieder zu Hause. Im Patientenfragebogen, den ich von der Klinik bekam, beschwerte ich mich über diesen Arzt und sein Gehabe. Meiner Hebamme wurde dazu später gesagt "da könne man nichts machen, er sei halt so".
Nach mittlerweile vier Geburten weiß ich, ich muss mir gar nichts gefallen lassen unter der Geburt. Ich bekomme mein Kind und niemand anderes. Und deshalb will ich gut für mich sorgen und brauche Menschen um mich herum, die mich kennen und mir den Rücken stärken. All das habe ich während den folgenden wunderbaren Geburten im Geburtshaus und zu Hause mit sehr tollen Hebammen erlebt.
Ich weiß, es gibt Frauen, denen ist es völlig egal, wer da alles während der Geburt um sie herum ist. Und wie die Umstände sonst so sind. Hauptsache, das Kind ist da. Irgendwie. Ist doch später eh alles vergessen. Oder?!
Ich weiß aber auch, dass Frauen nie vergessen, wann, wie und wo sie ihre Kinder zur Welt gebracht haben. Ist es ein gutes Erlebnis, kann davon ein ganzes Leben gezehrt und Kraft geschöpft werden. Ist es kein schönes Erlebnis gewesen, wird auch das das ganze Leben mitgetragen. Selbst meine Oma konnte noch bis zu ihrem Lebensende sehr detailliert von der Geburt meiner Mutter berichten.
Genauso gibt es auch Hebammen, die mit der Angestelltensituation im Krankenhaus gut klarkommen. Geregelte Dienstzeiten sind schon ein ziemlicher Vorteil. Ich verstehe das. Aus Gesprächen mit freiberuflichen Hebammen weiß ich aber, dass das noch längst nicht alles ist. Hier könnt Ihr nochmal die ehrlichen Worte einer Hebamme lesen. Und hier von der Krise im Kreißsaal.
Warum ich das alles aufschreibe? Heute wurde bekannt, dass freiberufliche Hebammen ab dem nächsten Jahr ohne Versicherung dastehen sollen und somit nicht mehr arbeiten können. Ich bin ganz fassungslos, was da für ein Spielchen getrieben wird. Noch vor Kurzem wurde nach vielen Protesten folgende Passage in den Koalitionsvertrag unserer neuen Regierung aufgenommen:
„Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen im Speziellen beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen.“
War schon klar, dass so eine schwammige Formulierung einigen Spielraum bietet. Eine flächendeckende Versorgung in der Geburtshilfe ist schon jetzt nicht mehr gegeben, geschweige denn eine Wahlfreiheit.
Auf Sylt gibt es seit Anfang des Jahres keine Geburtsstation mehr.
Meine Mutter war früher mal Hebamme. Welche Kinder können das später noch sagen?
Wie wird es weitergehen?
Nachtrag: Hier kannst Du eine Petition unterschreiben, die den Bundesgesundheitsminister Gröhe auffordert, einen Hebammenrettungsplan zu erarbeiten.
Wer könnte ein Interesse daran haben, dass es keine (freiberuflichen) Hebammen mehr gibt?
Diese Zahlen sprechen Bände.
Was kostet eine Geburt?
Geburt im Geburtshaus: 467,20 Euro
Hausgeburt: 548,80 Euro
Vaginalgeburt in einer Klinik 1.594 – 2.146 Euro
Kaiserschnitt: 2.505 bis 5.366 Euro
Quelle: Deutscher Hebammenverband, Oktober 2010
Nachtrag hier noch mehr Texte zum Thema:
wie eine Schwangerschaft mit Hebammenbegleitung verläuft, ist in meinem Schwangerschaftsblog nachzulesen
Schreibe an den Abgeordneten Deines Wahlkreises! (Musterbrief)
Rettet die Hausgeburten!
Eine Geburtshilfe ohne Hebammen?
Warum ich mich nicht nur für meine Hebamme einsetze. Sondern für mich.
Wir brauchen Hebammen!
Geburt und Selbstbestimmung - meine Stimme für meine Hebamme
Warum ein Herz für Hebammen nicht reichen wird
Mein offener Brief an unsere Familienministerin
Hebammenprotest = Elternprotest - was Du tun kannst
neueste Nachrichten vom 18. 02. 2014: Hebammen beim Gesundheitsminister
Deutschen Frauen werden die Hebammen gestrichen
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Wer bleiben will, muss sich verändern - Interview mit einer Hebamme
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Aufruf zu bundesweiten Demonstrationen
So war die Demonstration am 22.02. in Hamburg
Hebammen - wenn Wertschätzung versagt bleibt
Ab nächstem Sommer dürfen wir nicht mehr entbinden!
Ein Hebammenmann schreibt: Danke, ihr Hebammen in meinem Leben!
Von wegen gemütlicher kreißen! vom Deutschen Hebammenverband
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| die ersten Hände, die den Adventsjungen gehalten haben, waren die Hände unserer Hebamme |
