Samstag, 22. September 2012

Regenzeit - Geschichtenzeit

Draußen regnet es in Strömen. Es ist dunkel und grau. Die Heizung läuft das erste Mal nach dem Sommer und eine schöne Tasse Tee dampft. Das Sofa und weiche Decken laden zum Kuscheln ein. Eine gute Zeit zum Geschichtenerzählen.

Wie ich einmal zum Friseur gegangen bin...

Als ich 15 Jahre alt war, hatte ich eine gleichaltrige Nachbarin. Die war Modell beim Friseur. Modell sein hieß, die Auszubildenden in einem Friseurbetrieb probierten sich unter Aufsicht an echten Menschen aus. Für das Modell war die ganze Sache kostenlos. Alle paar Wochen hatte meine Nachbarin eine neue schicke Frisur und wechselnde Haarfarben. Das wollte ich auch machen!

Zu dem Zeitpunkt hatte ich lange glatte Haare, die mir bis über die Schultern reichten. Fein und dünn waren sie leider auch. Und wovon träumte ich? Von einer lockigen Löwenmähne. Dauerwellen waren Anfang der 90er Jahre total angesagt und fast jedes Mädchen in meiner Klasse hatte schon eine bekommen. So eine Dauerwelle war ziemlich teuer damals und meine Eltern sahen nicht ein, das auszugeben.

Also stellte ich mich im Friseurladen vor und wurde auch ausgewählt, Modell zu sein. Hurra! Zuallererst sollte ich eine Dauerwelle bekommen. Ich war im siebten Himmel! Korkenzieherlocken sollten es werden. Insgesamt 3 Stunden wurden meine Haare auf unzählige kleine Lockenwickler gewickelt, mit beißender Flüssigkeit behandelt, ausgewaschen und frisiert. Und tatsächlich: ich hatte richtig tolle Locken. Endlich! Ich fühlte mich herrlich! Ich hegte und pflegte meine Locken und kam vom Spiegel fast nicht mehr weg. Es war ein Traum!

Eine Woche später hatte ich den nächsten Termin beim Friseur. Was sollte gemacht werden? Die junge Auszubildende gab mir die Wahl zwischen Spitzen schneiden oder die gesamte Frisur durchstufen, wodurch die Locken noch besser zur Geltung kommen sollten. Ich hörte: "Locken" und "besser". Und dachte "schöner" und "toller". Abgemacht, durchstufen also.

Ich legte meine Brille ab. Mit -3 Dioptrien sieht man ohne Brille nicht besonders viel. Die Auszubildende ging ans Werk und schnitt und schnitt. Sie nahm Strähnen zwischen die Finger, zog sie in die Höhe und schnitt an den Spitzen etwas ab. Es dauerte und dauerte. Ich sah nicht, was sie machte. Irgendwann wurde es irgendwie luftig am Kopf. Hm. Ich ging davon aus, dass die Auszubildende schon wissen würde, was sie tut. Wenn sie nicht mehr weiterwüsste, würde sie doch sicher aufhören und jemanden fragen gehen, oder?! ODER?!

Sie holte tatsächlich irgendwann ihre Chefin. Die schnitt auch noch ein bisschen an meinen Haaren herum. Aber es war zu spät. Meine überschulterlange herrliche Lockenpracht hatte sich in eine echte Kurzhaarfrisur verwandelt. Die Chefin schlug mir vor, doch in der folgenden Woche wiederzukommen, dann wolle sie mir eine neue Dauerwelle machen. In kurze Haare? Ich kuckte durch einen Tränenschleier und hatte so einen dicken Kloß im Hals, dass ich nicht mehr sprechen konnte. Ich nickte nur und verließ fluchtartig den Friseursalon.

Draußen brach in in Tränen aus und schleppte mich irgendwie bis nach Hause. Ich wollte nieeee wieder auf die Straße gehen, geschweige denn zur Schule! Was für eine Schmach für mich als 15jährige! Die Mutter der Nachbarstochter machte aus meinen übrig gebliebenen Fusseln sowas wie eine Frisur. Ich hatte einen rasierten Nacken. Am nächsten Tag in der Schule wurde ich von jeder Person, die mir begegnete, gefragt, warum ich denn meine schönen Haare hab abschneiden lassen. Gnaaahhhhhh....

Jetzt könnt Ihr Euch sicher so ungefähr vorstellen, warum für mich ein Friseurbesuch aufregender ist als ein Besuch beim Zahnarzt. Denn der Zahnarzt hat mir noch nie etwas getan ;-)


11 Kommentare:

  1. Autsch, autsch, autsch!
    Ja, ja- die Zeit der Dauerwellen, Beleidigung jedes Frauen- und Mädchenschädels. Selbst die Männer haben mitgezogen. In den 80gern wurden die noch formschön hochgesteckt.

    Ich hab mir schön die Haare versaut, 'n büschen blond musste ja auch noch rein.

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  2. Meine Schwester hat Friseurin gelernt und ich MUSSTE Modell sein - für jeden Azubi der im Betrieb war.
    Von Kranzfrisur bis zum nur noch 1 cm langen Pony (und das auch noch schief) hab ich alles durch. =o)
    Insofern kann ich prima mitfühlen! =o)

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  3. Wie schrecklich! Aber stimmt, Dauerwelle muss man mal gehabt haben ;-)))) Ich hab da auch noch ein paar alte schräge Bilder von mir ganz weit unten in der Fotokiste :-)
    Liebe Grüße und danke für die Regengeschichte.
    Ute

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  4. Autschn - ich kenn sowas. Sowohl Unfälle beim Schnitt, als auch bei der Farbe. Allerdings im Alter von Mitte 20 bis Anfang 30.
    Darum: nie den Friseur wechseln, wenn er weiß, was er tut. Das ist Gold wert ;-)

    Cornelia

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  5. Da kann ich mitfühlen. Habe dasselbe erlebt.
    Lieber Gruss
    Bettina

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  6. au Backe. Ich war mal im Urlaub beim Friseur---- habe gelesen und vorher gesagt, ca 1 cm bitte abschneiden... als ich wieder bewusst hochschaute- hatte ich noch 1 cm Haarlänge auf dem Kopf... ich war in einer Familienfreizeit- die Sonne hatte gestraht- und ich hatte neben dem Sonnenbrand am Kopf zum Haar hin einen hellen Streifen.
    Zurück i.d. Gruppe hiess es dann: Was hast Du denn gemacht ?? und ich hab geantwortet: Sagt kein Wort- ich bin stinksauer.... !!!

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  7. nun hab ich meinen Namen vergessen:

    Liebe Grüße
    Christel

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  8. Och mensch, als kleiner Trost - ich hatte mit 15 ein ähnliches Erlebnis, allerdings ist nicht erst der Schnitt sondern gleich die Dauerwelle total in die Hose gegangen...ich sah aus als hätte sich ein Hamster durch meine Haare gefressen....

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  9. Wir Ex-15-jährigen :-)))

    Mit ungefähr 15 zeichnete sich bei mir ab, dass ich ein Mutant bin:
    Obere Kopfhälfte Naturlocken, untere Kopfhälfte glatt.

    (Mit 23 wurde das übrigens zur Katastrophe: Obere Kopfhälfte bekam die ersten grauen Haare zwischen hellbraunem Grundhaar. Untere Kopfhälfte strahlte in ebenholzfarbenem Schwarz...)

    Ich also zum Friseur: Teildauerwelle (die Hoffnung auf Teilteuer).

    Es zippte und zwickte und brannte wie Feuer.
    Jaja, blabla, alles ist in bester Ordnung.

    Keine beste Ordnung: Hinterkopf fast weggeätzt !
    Offene Haut, Ausschlag bis in alle Ewigkeit.

    Seitdem habe ich nie wieder Dauerwelle machen (lassen können).
    Heute, mehr als 30 Jahre später, kann ich zumindest Haarfarbe drauf machen ohne dass alles wieder anfängt zu brennen.

    Fazit: Wer schön sein will sollte nicht leiden müssen.

    P.S.: Finde, Deine Haare sind wunderschön !!

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  10. Ach, Du gute Güte. Das ist ja traumatisch. Fürchterlich. Du Arme.

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  11. Upps, liebe Caro! Und ich dachte schon ich sei mit meiner Frisuren-Geschichte die einzige hier im Bloggerland... Viele Grüße und ein tolles Wochenende! Nina

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