Sonntag, 10. März 2024

29. Februar 2024

Den Extratag in diesem Jahr haben der Liebste und ich maximal ausgenutzt. Nachdem alle Kinder in der Schule waren, haben wir einen zweiten Kaffee im Bett getrunken. Doch allzu lange haben wir nicht getrödelt, denn wir hatten einen Ausflug nach Rostock geplant. 

Im Vorfeld suchten wir ein Parkhaus am östlichen Rand der Innenstadt aus, von dem aus wir ganz bequem in die Stadt laufen konnten. Zuallererst waren wir frühstücken. 



In der Mitte der Altstadt befindet sich direkt vor der Universität Rostock der Brunnen der Lebensfreude. Direkt daneben ist übrigens auch die Tourist-Information zu finden. Von dort sind wir ungefähr 7 Minuten bis zu unserem nächsten Ziel gelaufen.



Die "Dokumentations- und Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit Rostock", wie der Ort offiziell heißt, wollte ich schon bei meinem letzten Rostockbesuch sehen. Doch es ist nur dienstags und donnerstags von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Dafür ist der Eintritt aber frei. 

Von einem Mitarbeiter wurden wir überaus freundlich empfangen. Wir bekamen ein Blatt mit den wichtigsten Infos in die Hand und durften uns dann im Haus frei bewegen.

Durch eine Schleuse betraten wir die Haftanstalt. Ein Barkas stand in der Einfahrt, mit dem die verhafteten Menschen hineingefahren wurden. Sofort standen wir in den Gängen mit den vielen Zellen. In fast jeder Zelle gab es neue Informationen über die Haftbedingungen, die Verhöre und die psychische und physische Gewalt, die während der DDR-Zeit dort ausgeübt wurde.



Anhand von Einzelschicksalen mit Namen, Fotos und Dokumenten kamen wir der Zeit sehr nahe. Manchmal reichten wirklich nur Kleinigkeiten, um ins Visier der Stasi zu geraten. Selbst Jugendliche waren davor nicht gefeit.



Das Gefängnis zieht sich über drei Etagen. In einer Etage wird über die friedliche Revolution, die zur Wende führte, berichtet. 


In der nächsten Etage wird in einer Sonderausstellung von der Flucht aus der DDR über die Ostsee erzählt. Wieder wird anhand von einzelnen Objekten die Geschichte von Menschen erzählt, die sehr erfindungsreich sein mussten. Surfbretter oder Tauchanzüge wurden zum Beispiel in mühevoller Handarbeit aus vielen kleinen Stücken selbst zusammengesetzt. 



Ich wurde auf jeder Etage besonders von den Fußbodenbelägen getriggert. Das hatte ich nicht erwartet. Zusammen mit den Farben und Gerüchen um mich herum fand ich mich plötzlich in meiner Kindheit in der DDR wieder. Diese Beläge kenne ich noch aus dem Kindergarten, aus der Schule, aus Arztpraxen, ja sogar von Zuhause. Dann gab es auch noch überall diese Plastikarmaturen und Kleiderhaken. Das war echt beklemmend und mir wurde ganz schwindelig. 

Da ich im Moment auch noch das Buch "Die Möglichkeit von Glück" von Anne Rabe (Amazon-Partner-Link) lese und mich darin erschreckend oft wiederfinde, stecke ich gerade in dieser Vorwendezeit und bin noch am Verarbeiten und Neubewerten vieler Erinnerungen. 

Beim Verabschieden unten am Empfang muss mir der Mitarbeiter mein Gefühlschaos im Gesicht angesehen haben. Er war ganz erschrocken und schickte uns zum Durchatmen raus an die frische Luft. Insgesamt also beileibe kein fluffig-leichtes Ausflugsziel, aber der Besuch ist enorm lehrreich und unbedingt zu empfehlen!



Die Sonne draußen tat gut! Und wir hatten noch etwas sehr Schönes vor! Die Mama des Liebsten hatte uns zu Weihnachten ein Paar-Floating geschenkt. Im Ruhepol Rostock wurden wir schon erwartet. Schon das Gebäude und die Räume luden zur Entspannung ein. Wir bekamen eine liebevolle Einweisung und hatten dann den Raum zum Floaten für uns ganz alleine.

Eine ganze Stunde lang schwebten der Liebste und ich nebeneinander in schummerigen Licht bei atmosphärischen Klängen in warmen Salzwasser. Ahhhhh, es war so herrlich! Irgendwann spürte ich kein Oben und Unten mehr und war mehrmals seelisch am Schweben, wie in dem Moment kurz vor dem Einschlafen. Kennt Ihr das? Sehr entspannt verweilten wir hinterher noch kurz im Ruhebereich. Es war sicher nicht unser letzter Besuch dort. 




Auf dem Weg zurück zum Parkhaus fiel uns die große Kirche auf. Im Dach des Kirchenstuhls waren Fenster und Balkons zu erkennen. Sollten da wirklich Wohnungen drin sein? Das wäre ja total interessant! Tatsache: schon 1976 wurden Büros und drei Wohnetagen eingebaut. 




Die Kirche St. Nikolai wurde ab 1230 erbaut und gehört damit zu den ältesten noch erhaltenen Hallenkirchen des Ostseeraumes. Unter dem Chor befindet sich ein Straßendurchgang, der sogenannte "Schwibbogen". Über dem Durchgang befindet sich ein Bildnis des Heiligen Nikolaus, dem Patron der Seefahrer. 



Im Törtcheneck gönnten wir uns noch zwei wundervolle Törtchen, die wir auf dem Rückweg zwischen Wochenendgroßeinkauf und zu Hause ganz unromantisch auf dem Parkplatz verspeisten. 

Abends waren wir in Wismar sogar noch tanzen. Was für ein toller Extra-Tag! 




Ich danke für das Mitlesen und die Anteilnahme. Hier gibt es die Möglichkeit, etwas in die virtuelle Kaffeekasse zu tun. Vielen Dank dafür!

4 Kommentare:

  1. Vielen Dank fürs Mitnehmen nach Rostock.
    Mich interessiert, welche Erinnerungen Sie wie neu bewerten? Kinderwahrnehmung und -erinnerung jetzt aus Sicht eines Erwachsenen?
    Wir waren gerade drei Tage in Bautzen. Eine wunderschöne Stadt. Wir haben aber auch die Führung durch das Stasi-Gefängnis mitgemacht. Hinterher spannend, unsere Erinnerungen aus der Kindheit zu vergleichen. Mein Mann behauptet, nichts von der Stasi als Kind gewusst zu haben. Ich kann mich ganz genau erinnern, wie sehr ein neuer Mitschüler in meiner Klasse beäugt wurde und auch lange isoliert blieb. Sein Vater hatte ihn an seinem ersten Schultag begleitet und sich als Stasi-Offizier (kein IM) vorgestellt. Ich frage mich heute noch, was der Vater damit bezweckt hatte...

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  2. Moin ,
    ein "Museumsbesuch" in einem ehemaligen Knast, oh menno, kein Wunder das der Kreislauf da schlappmacht. Das ist wahrlich schwer verdaulich, gut das ihr noch andere Highlights auf dem Tagesplan hattet. Der Ruhepol hört sich klasse an, und die Törtchen sind ein echter Augenschmaus, ich hoffe sie haben auch lecker geschmeckt.
    Die Wohnungen in der Kirche sind mir bei dem Film "Ostsee von Oben" auch aufgefallen, ich hoffe es gibt einen Fahrstuhl da hinauf, man wohnt da dem Himmel sehr nach.
    Von Rostock kenn ich nur die IGA das war 2003 , wie die Zeit vergeht.
    Liebe Grüße von Conny

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  3. Liebe Carola,
    nun muss ich mir gleich die Zeit zum Antworten nehmen. Danke fürs Mitnehmen nach Rostock! Das klingt mir alles wie in Bautzen. Und es sieht auch genauso aus.
    Ich habe gerade "Kranichland" zu Ende gelesen und hänge darin noch fest. Passt auch wunderbar zu Rostock und der Gedenkstätte.
    Einen schönen und tiefgründigen Tag hattet Ihr! Gaz herzliche Grüße, Birgit

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  4. Das mit den Fussbodenbelaegen finde ich echt interessant, die gabs nämlich im Westen ganz genauso überall in den 70ern :-) und auch heute noch z.B. in Neuseeland überall. Aber, mich versetzt das auch immer in meine Kindheit! Und ansonsten sehr interessant, wie immer, ich lese hier sehr gerne!

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