Mittwoch, 29. August 2018

Eine Berlin-Reise (2)

25. August 2018

Nach dem schönen Anreisetag schlief ich erst gegen Mitternacht ein. Um 5 Uhr war ich schon wieder wach. Ich denke immernoch, ich könnte im Hotel prima ausschlafen, aber es klappt nie.

Ich döste noch ein bisschen und stand gegen 6 Uhr auf. Ich duschte und machte mich schick. Um 7 Uhr war ich unter den ersten Gästen am Frühstücksbuffet. Ich frühstückte Brötchen, Marmelade, Ei und Milchkaffee. Danach holte ich Jacke und Handtasche aus dem Hotelzimmer und begab mich zum U-Bahnhof Moritzplatz.

Am Kottbusser Tor stieg ich um in die U-Bahn bis zur Warschauer Straße. Dort angekommen, lief ich  runter bis zur Spree. Die Reste der Nacht waren auf den Bürgersteigen und in Hauseingängen so früh am Morgen noch deutlich zu sehen. Außerdem roch die Luft wie der Berliner Winter, wenn in Gegenden mit Altbauten die Kohleöfen angefeuert werden. Das lag allerdings an den schlimmen Waldbränden, die im Berliner Umland loderten.

Ich ging ein Stück über die Oberbaumbrücke, weil ich noch von meinem letzten Aufenthalt in der Gegend wusste, ich würde von dort aus einen schönen Blick bis zum Fernsehturm haben. Ich machte ein paar Fotos und ging wieder zurück bis zur East Side Gallery. Dort traf ich dann schon Alu und Laura, mit denen ich das erste Highlight des Tages erleben sollte: eine Schifffahrt auf der Spree. Susanne kam auch noch dazu und fröhlich warteten wir auf unser Schiff.

Um 9:30 Uhr legte das vollbesetzte Schiff ab. Eine nach der wochenlangen Hitze willkommene frische Brise wehte. Es sollten die entspanntesten Minuten des Tages werden. Es ging durch Treptow und die Rummelsburger Bucht vorbei am apokalyptisch aussehenden Zementwerk. Nach 30 Minuten tauchte das Funkhaus Nalepastraße hinter einer Kurve auf. Dort fand an diesem Tag der Female Future Force Day statt.







Das Schiff legte an und schon befanden wir uns in der ersten Schlange des Tages. Mein Blick fiel auf das gelbe Plakat mit den Worten der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai* "Ich möchte, dass jedes Mädchen weiß, dass ihre Stimme die Welt verändern kann." Oh ja! dachte ich. Was für ein enormes Potenzial wir haben! Wie viel wir Frauen schaffen könnten, würden wir gemeinsam für etwas einstehen! Ich freute mich sehr auf die Konferenz und war gespannt, ob etwas von der Frauenpower zu spüren sein würde.

* Im schönen Buch "Malala: Für die Rechte von Mädchen" (Amazon-Partner-Link) von Raphaële Frier, Aurélia Fronty, übersetzt von Maren Illinger wird die Geschichte von Malala Yousafzai für Kinder erzählt.


Nach 20 Minuten bekamen wir am Einlass ein Bändchen ums Handgelenk und Gutscheine für Speisen und Getränke. Ich gab meine Jacke an der Garderobe ab. Dann standen wir in einer großen hellen Halle, die schon gut mit Frauen gefüllt war. Am Ende der Halle leuchtete das Wort "Breakfast". Frühstück! Da würde es sicher auch Kaffee geben. Auf einem langen Buffet gab es Becher mit Müsli, Smoothies, Donuts, Croissants und Muffins. In großen Körben lagen Äpfel und Bananen.

Dann standen wir schon wieder in einer langen Schlange. In dieser Ecke der Halle unter einer Galerie war es ziemlich heiß und dunkel. 30 Minuten sollte es bis zum ersten Becher Kaffee dauern. Ich hielt zwischendurch in der Halle und davor Ausschau nach einem weiteren Kaffeestand, aber ich entdeckte keinen. Bei über 3500 Teilnehmerinnen kam mir das etwas wenig vor. Die Arbeiterinnen hinter dem Stand taten mir leid. Wir verpassten die Auftaktrede auf der großen Bühne, denn bis in unsere Ecke der Halle drangen die Klänge aus den Lautsprechern nicht vor.

Wir trafen Béa und standen noch einen Moment lang beisammen und ließen den Ort auf uns wirken. Dann trennten wir uns, wir würden uns schon noch über den Weg laufen an diesem Tag. Ich lief einmal durch die ganze Halle und nahm dann die Treppe auf die Galerie, wo ich auch eine große Runde lief. Überall waren Stände von Sponsoren der Veranstaltung. Make-up, Tattoos, Kinderwagen, Autos, Piercings, Sportmode, Uhren...

Ich traf Jette, Bella, Susanne, Patricia, Sabine, Rona und Jochen. Jochen war ein bisschen aufgeregt, weil er kurz darauf auf der Familien-Bühne einen Vortrag über neue Familienbilder halten sollte. Ich blieb bei der Truppe, um ihn mental zu unterstützen. Der Vortrag war ein sogenanntes "Silent Event", d.h. die vortragende Person spricht in ein Mikrofon, alle Zuhörerinnen und Zuhörer tragen Kopfhörer. Der Ton kommt direkt auf die Kopfhörer, so dass die Umgebung ganz still ist. So können mehrere Veranstaltungen in einem Haus störungsfrei parallel verlaufen. Hinter der Familien-Bühne befand sich in einem großzügigen Bereich die Kinderbetreuung.

Nach dem Vortrag von Jochen bin ich gleich sitzen geblieben und habe mir Patricias Vortrag angehört. Es ging um die Arbeitsverteilung in der Familie. Es ging um die vielen kleinen Erledigungen, die so lange unsichtbar sind, bis tja... bis die Person, die den Großteil davon abarbeitet, völlig erledigt ist. Erledigt von Erledigungen. Patricia war irgendwann so erschöpft, dass sie sich am liebsten am übervollen Alexanderplatz in Berlin auf dem Weg zur Arbeit auf den Boden gelegt hätte. Dieses Bild ist so eindringlich und ich erkenne mich wieder.

Hätte man den Partner fragen müssen damit alles gleichberechtigt verteilt wird, wie in dem großartigen (englischsprachigen) Comic You should've asked? Nach 20 Jahren Mutterschaft war mir das Thema jetzt nicht so neu. Umso besser fand ich, dass im Publikum auch deutlich jüngere Frauen waren, wie ich bemerkte, als ich mich umschaute. Hoffentlich konnten sie etwas für sich mitnehmen.



Nach den Vorträgen auf der Familienbühne lief ich wieder durch die Halle. Ich traf Sue (sie verschickt ganz wunderbare persönliche Newsletter). Wir redeten ein Weilchen über Frauen und Finanzen und gingen dann gemeinsam nach draußen. Auf dem Außengelände standen viele "Foodtrucks" also große Autos mit hinten geöffneter Klappe, aus denen warmes Essen gereicht wurde. Ich sah u.a. Nudeln, Reispfannen und Burger.

Wir entdeckten Melodie Michelberger auf einer Bühne im Gespräch. Ich liebe ihren Auftritt auf Instagram. Sie ist PR-Beraterin und Body-Positivity-Aktivistin. Sie erzählte gerade, wie es ihr nach dem Burnout vor ein paar Jahren ging. Alleinerziehend hatte sie lange Zeit versucht, es allen recht zu machen. Dann kam der Zusammenbruch. Danach krempelte sie ihr Leben um. Was mir aus diesem Gespräch hängenblieb: Alle sagten zu ihr, sie wäre danach ja nicht mehr so belastbar. "Und was ist, wenn ich gar nicht mehr so belastbar sein WILL?!" fragte sie sich. Warum sollte man sich abstrampeln und abstrampeln, um in irgendein System zu passen und daran kaputtgehen? Es war ein sehr berührendes Gespräch da auf der Bühne und ich dankte ihr hinterher persönlich. Hier ein schönes Interview mit ihr.


Hinter den Bäumen am anderen Ufer entdeckte ich das Riesenrad vom Plänterwald. Hachseufz, Kindheitserinnerungen! Der Freizeitpark war zu DDR-Zeiten DER Hit! Nach der Wende wurde ein Comeback versucht, das scheiterte. Seit einigen Jahren sind die Gebäude und Fahrgeschäfte der Natur überlassen. Das finde ich schaurig-schön. Es finden auch Führungen durch das Gelände statt. Da wäre ich zu gerne mal dabei, sie sind aber immer schnell ausgebucht. Mittlerweile gibt es auch neue Pläne für den Park, wir werden sehen.


Ich streifte über das Gelände und ging in ein Nebengebäude. Faszinierend! Ganz im Stil der 50er Jahre präsentierte sich gleich die Eingangshalle. Das Haus und das Gelände sind sehr geschichtsträchtig. Weil die einzigen Toiletten weit und breit im Obergeschoss waren, ging ich die Treppe hoch. Dort entdeckte ich zwei große Säle. Beide waren schon völlig überfüllt. In dem einen Saal wurde gerade Sara Nuru interviewt, die vom Model zur Unternehmerin wurde und jetzt mit Kaffee aus Äthiopien handelt. Im anderen Saal gab es eine Diskussionsrunde u.a mit der Politikerin Kathrin Göring Eckhardt zum Thema: "Wie lösen wir die Hebammenkrise?"

Spannende Themen, wie so viele an diesem Tag! Nur leider fanden alle gleichzeitig statt, ich glaube, es waren um die 80, so dass ich schon im Vorfeld völlig erschlagen von dem Programm war. Für einige Vorträge musste man sich im Vorfeld anmelden. Diese Tickets waren nach 5 Minuten ausgebucht. So habe ich den Tag einfach auf mich zukommen lassen.

Ich traf noch Lia,  Mareice, Rike, Nina und Bettina. Von Weitem sah ich Anja und Christian. Ich stellte mich am Burger-Stand an, weil es da sehr köstlich roch. Dort sprach ich mit einer wunderschönen Frau, leider habe ich ihren Namen vergessen. Überhaupt war die Stimmung sehr aufgeschlossen. Ob jetzt Schminkstände und Goodiebags besonders feministisch sind? Manche kritisierten das. Ich habe beschlossen, dass sie der Sache dienen. Spaß ist ja nicht verboten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich zuallererst selber gut fühlen muss, dann habe ich auch Kapazitäten für andere Themen.

Gut fühlen, mein Stichwort: gegen 17 Uhr war ich völlig fertig vom vielen Stehen und Gehen und vom Stimmengewirr. Ich hatte mal wieder zu wenig getrunken. Ich holte meine Jacke an der Garderobe ab. Mit meinem Gutschein bekam ich noch meine Goodiebag mit kleinen Geschenken der Sponsoren. Dann nahm ich den Shuttlebus zum Bahnhof Ostkreuz. Im Bus traf ich noch Nina, Jane und ihre Kinder.





Ich fuhr Richtung Friedrichshain. Dort wollte ich am Abend ins Kino gehen. In der Zeitung war mir der Film "BlacKkKlansmann" vom Regisseur Spike Lee aufgefallen, der interessierte mich. Ich hatte noch ein bisschen Zeit bis zum Film. So trank ich einen Tee, ließ den Tag sacken und dachte über die Begegnungen nach. Ich habe mitgenommen, dass es sehr inspirierend und auch wichtig ist, seine persönlichen Erfahrungen zu teilen und weiterzugeben.

Der Film war sehr sehenswert. Auch wenn zum Ende hin das Lachen im Halse steckenblieb. Kurz vor Mitternacht war ich schließlich wieder in meinem Hotelzimmer in Kreuzberg. Nach dem übervollen Tag dauerte es noch eine Weile, bis ich schlafen konnte.



6 Kommentare:

  1. Danke für deinen ausführlichen Bericht! Ich wäre gern auch beim FFFD gewesen, aber Samstag ging hier einfach gar nicht. Durch deinen Blogartikel hab ich jetzt ein bißchen das Gefühl, doch dabeigewesen zu sein.

    Ich hoffe, wir sehen uns bei nächster Gelegenheit zum Kaffee in Hamburg.
    Sei ganz lieb gegrüßt!

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  2. Liebe Frische Brise,

    ich war ebenso beim FFFDay, ein inspirierender Tag mit kleinen "Schwächen", mal schauen, wie und ob sich das Konzept im nächsten Jahr so wiederfindet...würde mir wünschen, dass die Ticketpreise auch "normalsterblichen" Frauen Zugang verschaffen, 300 EUR ist doch eine ziemliche Hausnummer und vielen leider leider verständlicherweise eben zu viel.

    Ich hätte mich sehr gefreut, Ihnen über den Weg zu laufen -ich gebe zu, ich habe immer so ein bisschen geschaut, ob ich Sie entdecke..leider nein. Ich hätte Ihnen auch einfach nur sagen wollen, wie gerne ich Ihren Blog lese und als (noch) kinderlose Frau von Ihren Themen, Berichten und dem kleinen Einblick in den Alltag mitnehme. Dann an dieser Stelle: DANKE

    Witzigerweise habe ich im Anschluss auch BlacKkKlansman gesehen (Potsdamer Platz), toller Film. Aber noch toller und für Sie mit ostdeutschem Hintergrund sicher oder vielleicht interessant "Gundermann" - wahnsinnig berührend, die Schauspieler, die Musik...hach.

    Ihnen alles Gute,
    Julia

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    1. Vielen Dank für die Grüße und die lieben Worte!

      Bei den Massen war es echt schwer, jemanden zu treffen.

      Ich hatte im März ein ermäßigtes Ticket gekauft, 300 Euro hätte ich nicht bezahlt.

      Und "Gundermann" will ich auch noch unbedingt sehen :-)

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