Samstag, 9. Mai 2015

re:publica Tag 1

Dienstag, 05.05.2015

Um 04:30 Uhr geht mein Wecker. Ich freue mich über den ganz zarten hellen Streifen am Morgenhimmel. Da fällt das frühe Aufstehen nicht so schwer. Ich dusche, schminke mich, ziehe mich an, schnappe mir meinen Trolley und schleiche mich aus der schlafstillen Wohnung. Um 05:20 Uhr kommt mein Bus, der mich zur nächsten U-Bahnstation bringt, mit der ich bis zum Hamburger Hauptbahnhof fahre.

Es ist Tag 1 des Streiks der Lokführer. Die Bahnhofshalle ist so leer und ruhig wie noch nie. Die Züge zwischen Berlin und Hamburg fahren dennoch. Nicht stündlich, wie sonst, aber immerhin alle zwei Stunden. Mein Zug ist nicht betroffen. Mein vorsichtshalber für 8 Euro gekauftes Fernbusticket brauche ich nicht. Um 07:06 Uhr rollt der überraschend leere ICE los und hält zwischendurch auch in Wittenberge und Ludwigslust.


Um 9 Uhr erreichen wir den Berliner Hauptbahnhof. Ich bin froh, dass ich mich diesmal anstatt für meinen Wanderrucksack für einen Trolley entschieden habe. Das ist ja viel leichter! Für meinen Berlin-Aufenthalt habe ich ein Zimmer am Ostbahnhof gebucht. Die S-Bahn fährt nicht, aber ich kann in eine Regionalbahn zusteigen, die überfüllt ist. Obwohl es noch so früh ist, ist es schon sehr heiß. Im Hotel angekommen, mache ich mich frisch und stelle meinen Koffer unter. In mein Zimmer kann ich noch nicht gehen.

Ich mache mich auf zur "Station Berlin", wo die re:publica stattfindet. Die Anreise ist ganz leicht: von der Warschauer Straße brauche ich nur 7 Stationen bis zum Gleisdreieck fahren. In der Bahn habe ich den passenden Song im Ohr, wie immer, wenn ich die Strecke der alten Linie 1 fahre.

Am Gleisdreieck brauche ich nur den vielen anderen Menschen folgen und erreiche das Gelände direkt unter dem U-Bahn-Viadukt. Ich melde mich am Schalter an und bekomme ein grünes Armband. Dann bekomme ich noch ein Namenschild am Band, das ich mir umhänge. So betrete ich den Hof und erkenne sofort mir aus dem Internet bekannte Frauen an ihren selbst genähten Kleidern.

Dann entdecke ich immer mehr mir bekannte Gesichter. Es sind Frauen, deren Blogs ich schon eine Weile lese oder denen ich auf Twitter folge. Wie toll! Und wie leicht man gleich ins Gespräch kommt! Wir trinken Fruchtlimo und besuchen dann zusammen unsere erste "Session", wie die Vorträge auf dieser Veranstaltung heißen. Davon gibt es so viele, dass es schier unmöglich ist, alle zu besuchen. Ich habe für meinen Aufenthalt auf der re:publica nichts geplant, außer für mein Mutzelchen den Astronauten zu treffen.

Im ersten Vortrag erzählen Mareice Kaiser von Kaiserinnenreich und Raul Krauthausen von der Inklusion in Europa (hier zum Nachhören) und deren Sichtbarkeit im Internet. Das Netz hat in diesem Punkt schon viel ermöglicht, jetzt wäre es schön, würden wir alle noch mehr gemeinsam agieren. Während des Vortrags lese ich auf Twitter die Bitte um viele Schlüsselbänder für Flüchtlinge. Mir fallen sofort die Schlüsselbänder der re:publica-Besucher ein und gebe den Hilferuf weiter. Johnny Häusler, einer der Gründer der re:publica, hat mittlerweile 200 Schlüsselbänder auf den Weg geschickt.


Nach dem Vortrag gehen wir wieder in den Innenhof. Das Wetter ist toll, es gibt gute Musik und es hängt Festivalstimmung und Bratwurstduft über dem Ort. Während der Unterhaltung entdecke ich Frau Mutti, die eine meiner allerersten Blogentdeckungen vor sehr vielen Jahren war. Gerade ist sie zu den Gärtnerinnen übergewechselt. Wir begrüßen uns und werden in den folgenden Tagen viel Zeit miteinander verbringen. Das tolle Fruchteis, das es auf dem Hof gibt, hat es uns angetan.


Später erreicht die ehemalige Frau Ami den Hof. Kennt die noch jemand? Sie hat vor vielen Jahren gebloggt und als sie aufhörte, war ich ziemlich traurig. So schön, dass wir trotzdem noch virtuell verbandelt sind. Die Zeit verfliegt wie im Flug. Die ganzen Eindrücke und die vielen Menschen sind überwältigend. Mir ist nach ein bisschen Ruhe und sitzen, deshalb besuche ich meinen letzten Vortrag des Tages auf der Media Convention, die der re:publica angeschlossen ist. Der Vortrag heißt "Hoax-Kampagnen: Opium fürs Empörungsvolk" und beleuchtet die Mechanismen von gefälschten Aussagen im Netz und wie sie die Empörung von Menschen ausnutzen und damit auf Weiterverbreitung setzen.

Um 20 Uhr bin ich platt vom Tag und verabschiede mich. Ich möchte nun endlich mein Hotelzimmer sehen. Als meine U-Bahn über die Oberbaumbrücke rollt, sieht der Blick über die Spree so toll aus, dass ich vom Bahnhof Warschauer Straße ein Stück zurücklaufe, um mir das anzuschauen und Fotos zu machen. Eine beeindruckende graue Wolkenwand kommt hinter dem Fernsehturm angerollt. Der Wind frischt auf und es wird immer dunkler. Als die ersten Tropfen fallen, schnappe ich mir ein Taxi und lasse mich zum Hotel fahren.


Ich habe ein günstiges Zimmer im "Ostel" gebucht. Ich fand die Idee ganz witzig, mal wieder im DDR-Design zu wohnen. Und tatsächlich, als ich mit meinem Koffer die 6. Etage erklommen habe und die Tür aufschließe, bin ich schlagartig in meiner Kindheit angekommen. Genau so ein Zimmer hatte ich früher auch. Ich öffne das Fenster ganz weit und sitze noch eine ganze Weile in der Dunkelheit da und schaue über die Dächer in die funkelnde Berliner Nacht.

8 Kommentare:

  1. Ein toller Bericht mit schönen Fotos. Das Bild mit dem Fernsehturm, den Wolken und dem vielen Wasser gefällt mir besonders gut. Und für Dich war es bestimmt toll, mal wieder in Berlin zu sein.

    Für mich als twitterloses Wesen stellt sich aber noch folgende Frage: was gibt es für einen Zusammenhang zwischen Schlüsselbändern und Flüchtlingen?

    Liebe Grüße aus NRW
    Karin

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    1. Ja, es war rundum toll!

      Die Schlüsselbänder sind einfach ein winziges Detail, damit sich die Flüchtlinge in ihrem Wohnheim wohlfühlen können. Die Zimmer sollen immer abgeschlossen sein und so können die Menschen ihre Schlüssel besser aufbewahren.

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  2. Jetzt hab ich einen Ohrwurm :-) Das Musical "Linie 1" haben wir mit der Schule mal angeschaut. Und ich hatte es danach auf Schallplatte. Das muss bestimmt fast 30 Jahre her sein. Oha :-) Und ich habe es geliebt.
    Liebe Grüße,
    Andrea

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    1. Ich glaube, alle Berliner Schulklassen waren damals in dem Stück.

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  3. Frau Ami habe ich sehr gern gelesen, und Frau Antonmann auch, schade, dass sie aufhörten. Herr Skizzenblog hat immer noch einen Tag für sie geschaltet: http://skizzenblog.clausast.de/sorte/ami.html
    Liebe Grüße
    Anne

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  4. Oha, ich bin im selben Zug gefahren wie dir Frische Brise! Hätte ich das gewusst, wäre ich ein wenig stalkend durch die Gänge gewandert. Na ja, zur nächsten republica weiß ich dann Bescheid!

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