Freitag, 12. April 2013

Im Kindergarten

Jeden Mittwoch um 13 Uhr dröhnten über unserem Stadtteil in Berlin- Buch die Luftschutzalarmsirenen zur Probe. Um die Zeit war im Kindergarten Mittagsschlafzeit. Ich lag auf meiner kleinen Pritsche und lauschte den an- und abschwellenden Tönen.

Meine Schlafstatt war eine harte Sperrholzplatte mit Klappbeinen. Darauf lag meine Kuscheldecke. Sie war gelb und weiß mit Herrn Fuchs und Frau Elster drauf. Die Decke rutschte auf dem glatten Untergrund hin und her. Alle anderen Kinder in dem großen Gruppenraum schliefen. Die langen dunkelblauen Vorhänge waren geschlossen. Hier und da blitzte das Tageslicht durch einen Spalt.

Ich sehnte mich nach dem Ende des Mittagsschlafes. Ich konnte einfach nicht schlafen! So summte ich selbstausgedachte Melodien vor mich hin. Oder dachte mir Geschichten aus und erzählte sie mir flüsternd. Das störte die anderen Kinder beim Schlafen. Deshalb wurde meine Liege ganz vorne an die geöffnete Tür zum Gruppenraum gestellt. So hatten mich die Erzieherinnen im Blick, die während der Mittagsschlafzeit der Kinder ihre Pause hatten. Sie trafen sich in der Mitte des Flures und saßen dort zusammen an einem Tisch.

Einmal musste ich dringend zur Toilette. Wir durften während des Mittagsschlafes aber nicht aufstehen. Ich wartete auf den passenden Moment und huschte über den Flur zum Waschraum. Ich wurde ertappt. Die Erzieherin kam hinter mir her und befahl mir, so lange auf der Toilette sitzen zu bleiben, bis sie mir die Erlaubnis gab, wieder aufzustehen. So saß ich da, nur mit Unterwäsche bekleidet und habe ziemlich gefroren. Die Toiletten hatten keine Türen und waren nur durch kleine Stellwände voneinander getrennt. Dann war der Mittagsschlaf beendet und andere Kinder warteten, dass ich den Platz freimache. Ich sagte ihnen, dass ich nicht aufstehen dürfe. So wurde ich begafft und es dauerte noch eine Ewigkeit, bis ich aufstehen durfte.

Manchmal wurde meine Liege auch gleich im Waschraum auf den braunen genoppten Fliesen aufgestellt. Da konnte ich niemanden stören. Ich guckte mir die Waschbecken von unten an und sang vor mich hin.

Ich war trotz allem, man mag es kaum glauben, ganz gerne im Kindergarten. Ich kann mich noch an sehr viele Details erinnern. Es gab eine Bauecke und eine Puppenecke. Der weiße Schrank mit den Spielen war bis obenhin gefüllt.

Morgens nach dem Frühstück mit matschigem Müsli  (na gut, das war vielleicht wirklich nicht so toll, und dass wir es aufessen mussten, auch nicht), durften wir uns aussuchen, wo wir spielen wollen. Dann gab es eine Zeit, in der gemalt und getuscht wurde. Der Garten war riesig und wir hatten viel Freiraum zum spielen. Die Turnstunden waren spannend, da der Turnraum im Keller war. Wir Kinder gruselten uns ein bisschen und dachten uns Geschichten über die Hexe aus, die angeblich dort unten wohnte. Wir spielten Märchen nach, feierten den Kindertag und Fasching ganz groß und suchten unsere Osterkörbchen im Garten.

Es war alles ziemlich reglementiert und gut organisiert. Die Erzieherinnen waren sehr streng und wir schauten zu ihnen auf. Es war meine Kindheit und es ist okay so. Manche Sachen gehen heute eigentlich gar nicht mehr. Ich mache niemandem einen Vorwurf.

Aber wenn ich da mittags auf meiner Pritsche gelegen habe, dachte ich so bei mir, dass die Arbeit mit Kindern sehr viel Spaß machen müsste. Wenn ich Erzieherin wäre, würde ich das alles ganz anders machen.

Und so ist es gekommen. Der Beruf macht mir richtig Freude! Kat von der Blogprinzessin hat ein kleines Interview zu meinem Beruf mit mir gemacht. Lest bei Ihr weiter!


Anfang 1980 - ich bin 3,5 Jahre alt 

20 Kommentare:

  1. Ein süßer Fratz warst du ;o)

    Meine Erinnungen an den Kindergarten stammen aus West- Berlin - meine Mutter konnte ihr Glück, einen Pltz für mich ergattert zu haben kaum fassen - und sind z. T. ganz ähnlich.
    Mittagsschlaf war mein täglicher Horror und es gab oft Milchreis zu Mittagessen, den ich damals wie heute nicht mochte, aber immer aufessen mußte.
    "Tante Helga" war eine burschikose Person und mit uns Kindern nicht zimperlich.
    6 Wochen habe ich nur geweint.
    Dann durfte ich bei den Großeltern zuhause bleiben...
    Später ging ich in eine andere Kita. Dort mußten wir mittags nicht schlafen.
    Die Erzieherin erinnere ich als lieb und einfühlsam.
    Gut, dass sich bis heute soviel verändert hat.
    Dir ein schönes Wochenende. Viele
    Claudiagrüße

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  2. Hihi, so ein Kindergartenfoto aus dieser Zeit habe ich auch noch:

    http://www.flickr.com/photos/23175706@N00/5933282073/

    Ich war immer Mittagskind und musste nicht im Kindergarten schlafen. Auch im Hort gab es diese Sperrholzpritschen. Da ich auch dort immer Mittagskind war, war es für mich ein großes Ding, wenn ich doch mal bis zum Nachmittag bleiben und Mittagsschlaf mitmachen durfte (wobei ich da auch nie geschlafen habe :-)Ansonsten habe ich nur bruchstückhafte Erinnerungen an meine Kindergartenzeit. An Fasching und das Fest zum Kindertag.

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  3. Wahnsinn... auch ich war ende der 80er in einem DDR Kindergarten bzw Anfang der neunziger in denen nicht viel anders war. vieles hatte ich wohl schon in die hinterste Schublade geschoben, finde mich aber in deinen Erinnerungen wieder. auch die Luftschutzalarmsirenen kennen ich gut. In den Ferien war ich oft bei meinen Großeltern und in jeder Nacht waren die Sirenen zu hören. Unheimlich Angst hatte ich da allein in meinem dunklen Zimmer.

    Morgens gab es immer lauwarme Milch in Plastikkannen ich kann mich auch entsinnen das es die auch in Erdbeer Geschmack gab ?! An die Dicke haut bei eingießen in den Becher kann ich mich gut erinnern. und an den Geschmack.... *schüttel*

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  4. Oha ja. Kindergarten in der DDR. Sirenen gab es bei mir keine. Aber auch diese Pritschen. Bei uns wurde manchmal mit einem nassen Waschlappen im Gesicht getestet ob wir wirklich schlafen. Und Mittagskind war das größte. War aber leider eine Seltenheit. Und ja - vieles würde heute so gar nicht mehr gehen bzw. wäre nicht einmal vorstellbar.

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  5. Was bin ich immer froh, wenn ich das alles lese, dass ich nie im Kindergarten war. Bin ja Ende der 1960er geboren und da gab es auch im Osten noch nicht für alle einen Kindergartenplatz und viele meiner Freundinnen waren auch in der glücklichen Lage. Wir wuchsen bei unseren Mamas auf, gingen mit 5 in die Vorschule mit schicker Vorschultasche. Als Schulkinder ging es dann gleich nach Hause und nie in den Hort. Nur in der 3. Klasse war dienstags Schwimmen und da mußten wir zum Mittag in den Hort und dann zum Schwimmen. Diese Tage waren grauenhaft mit furchtbarer Horterzieherin und deren Mutter als Kochdrachen...Für uns Hauskinder eine (schrecklich) andere Welt. Diese verfärbten Plastikteller, randvoll mit süßer Linsensuppe gefüllt und es sollte aufgegessen werden. Für die Hortkinder normal, für uns Hauskinder nicht tragbarer Terror. Wir haben die Teller umgekippt und nicht gegessen, die Erzieherin hat Kinder grob behandelt und daraufhin (zum Glück)richtig Ärger bekommen. Kinder derart zu foltern waren auch die Verbrechen der DDR und die sind unverzeihlich, denn als normal habe ich sowas nie empfunden und meine Eltern zum Glück auch nicht! Sie haben sich immer für die Kinderrechte eingesetzt in diesem Unterdrückersystem.
    Darum mache ich gerade diesen Lehrern und Erziehern Vorwürfe, denn sie hätten nicht so(miss-) handeln müssen! Jedoch war es sicher für manche Menschen reizvoll, Macht auszuüben mit dem Staat im Hintergrund.Da gehen Ethik und Moral und vor allem Menschlichkeit ganz schnell verloren.
    Unverzeihlich, wenn es die Schwächsten im System trifft!

    GLG
    PE

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  6. Liebe Frau Frische Briese, ich staune, wieviele Erinnerungen du noch an die Kindergartenzeit hast. Na ja , alles habe ich auch nicht vergessen. Ich weiß noch sehr gut, dass ich immer am Schreibtisch der Erzieherin schlafen musste ... aber ich ging gern in den Kindergarten. Meine Kindergartenhzeit verbrachte ich in Berlin Friedrichsfelde. Jetzt, wo ich so daran denke, fällt mir doch noch Einiges ein. Meine Tochter geht in Buch zur Musikschule, die in einem alten Kindergarten untergebracht ist. So ein Plattenbau , wie es sie überall in der DDR gab. Für mich ist es komisch, denn in genau in solch einem Gebäude war auch mein Kindergarten. Der Essensaufzug und das kleine Treppengeländer, der Pvc-Boden, die Raumaufteilung alles ist noch da und die braun genoppten Fließen .
    Außerdem geht das Schulmmädchen in eine Montessorischule, die im Ludwig Hoffmann Quartier entsteht und übergangsweise in einer alten Schule, die leer stand untergebracht ist. Alles atmet Erinnerungsduft von DDR Kindheit. Wenn genug Zeit vergangen ist, neigt man zum Verklären , genau in diese Phase bin ich mittlerweile eingetreten.
    Ganz liebe Grüße aus der alten Heimat, Mascha .

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  7. Sehr schön zu lesen und rundet das Interview gut ab :)

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  8. Ich bin Jahrgang 1980, war auch in Krippe und Kindergarten und habe nur gute Erinnerungen daran! Ja, Mittagsschlaf mochte und konnte ich auch nicht, aber dann verhielt man sich halt ruhig und gut. Sanktionen gab es keine und auch keine bösen Erzieherinnen ...
    Essen hat man von zu Hause mitgenommen und die Fruchtmilch im Kindergarten fand ich sehr lecker.
    Ja, vielleicht war alles etwas strenger, aber ich bin froh um diese Erfahrung! Ich denke, es hilft mir, mich in der heutigen Gesellschaft durchzusetzen und wenn ich meine "Kollegen" so sehe, die die ersten 6 Jahre zu Hause betreut wurden, stelle ich doch meist (nicht immer) deutliche Unterschiede fest ... Mich hat es jedenfalls positiv geprägt ;-)

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  9. Gut,dass sich so vieles geändert hat und wir vor allem unsere Kinder mehr genießen können,denn daran mangelte es glaube ich in unserer Elterngeneration häufiger.Vielen auch an Zeit.
    Die Kinderpsychologie hat in den letzten 10 Jahren unglaubliche Neuorientierungen hervorgebracht und ich finde das toll,egal was bei mir mal war.
    Euch einen schönen tag und ein tolles Wochenende,LG Silke Schmidt!

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    1. Pikler, Montessori und Waldorf-Pädagogik sind eigentlich schon etwa über 100 Jahre her entstanden, schade dass Faschismus und Nationalsozialismus usw. dann soviel kaputt gemacht haben.

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    2. die meine ich nicht zwingend,denn auch Frau Montessori hat mit ihren eigenen Kindern kein so gutes Händchen gehabt,ich meine auch nicht lehren und lernen,die Pädagogik finde ich aber toll der drei Genannten,ich meine vor Allem Leben.Ein sehr komplexes Thema.Ich sehe das auch so,es wurde viel kaputt gemacht in den Gefühlen der Menschen.Danke für deine Rückkopplung.

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  10. Mich macht es ein bisschen traurig. Ich bin ja nur ein ganz wenig jünger, habe aber ganz andere Erfahrungen gemacht- wobei ich auch in einem Waldorfkindergarten war.
    Das Essen haben wir mit den Erzieherinnen zubereitet, wir wurden gebeten auf zu essen, aber niemals mussten wir. Wir gingen zu den Erzieherinnen zum kuscheln auf den Schoß.....Es gab allerdings natürlich auch Regeln, an die sich gehalten wurde. Meine Erzieherinnen waren immer mein grosses berufliches Vorbild und sind es heute noch.

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  11. An die Pritschen mit Alarm mittwochs erinnere ich mich auch noch ziemlich gut.. und ich konnte auch nie schlafen ... wegen meines Hustens mußte ich immer allein in der dunklen Abstellkammer liegen, und auch sonst, wurde einiges gemacht wo mein heute so denkt "naja". Damals hat es mich aber nicht gestört - ich hab den Kindergarten auch geliebt, besonders in der Weihnachtszeit! Schön, daß du deinen Berufswunsch wirklich umsetzten konntest und jetzt alles anders machen darfst!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  12. Ha, ich bin 83er Jahrgang und bei Leipzig war es nicht anders, nur das ich, die nicht schlafen wollte/konnte im Flur sitzen musste, auch nicht auf Toilette durfte und oft im Sitzen eingeschlafen bin, weil es so langweilig war;-)

    LG Eli

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  13. Hallo,
    so lange lese ich schon mit und habe noch nie einen Kommentar abgegeben, aber bei diesem Foto muss ich nun doch mal ... Erinnerungen werden wach, denn genau das gleiche Plüschtier (es ist eine Maus, auch wenn man es nicht gleich erkennen kann) hatte ich auch und habe es geliebt :-)
    Irgendwie habe ich viele Sachen aus der Kindergartenzeit "verdrängt" und kam mir doch jetzt so bekannt vor ;-)
    Danke!
    Susan

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  14. deine erinnerungen ähneln denen meines mannes sehr - er ist 85 geboren und ging noch zu ddr-zeiten in die krippe - schon damals konnte er keine breiigen mahlzeiten leiden und der zu essende milchreis kam den erzieherinnen nachher wohl einmal direkt wieder entgegen... danach musste er ihn nie wieder essen ;).
    linnea

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  15. Ich habe leider nur noch wenig Erinnerung an meine Kindergartenzeit.
    Wir durften z.B. für unsere Erzieherin zum Bäcker gehen und ihr Frühstück kaufen, an den Vorschulausflug kann ich mich noch erinnern und daran, dass mir mal mein Brillenglas unter den Schrank gerollt ist.
    Ich bin auch Erzieherin, aber leider nicht mehr ganz so froh mit meiner Berufswahl. Ich liebe Kinder und die Arbeit mit ihnen macht mir so großen Spaß, aber das ganze drumherum, Bürokram, Buchungsystem, Dokumentation, Auseinandersetzungen mit Trägerschaft, Anforderungen die immer mehr an den Kiga gestellt werden, zu wenig Personal und der ewige Kampf ums Geld nimmt uns die Zeit um uns um die Kinder zu kümmern. Leider.
    Im Moment versuche ich mich nach 4 Jahren Elternzeit wieder ein wenig einzufinden (nur 9 Stunden/Woche) - ja die Arbeit mit den Kindern macht immer noch Spaß.

    Mit einem lachenden und einem weinendem Auge

    Alexandra

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  16. Du warst ein Zuckerschnütchen deluxe und ich hätte dich nie und nimmer auf irgendwelchen Fluren schlafen lassen, geschweige denn im Waschraum (ok, du hast ja auch nicht geschlafen) Ich hätte dich auf meinen Schoß genommen und leise mit dir zusammen deine Lieder gesummt. :)

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