Freitag, 7. Mai 2010

Katzenzungen

Es gibt tatsächlich Dinge, die gab es auch schon vor über 30 Jahren.
Die "Katzenzungen" gehören dazu.
Ich habe sie als Kind von meiner Uroma bekommen.

Meine Uroma Marie wurde im Jahr 1900 in Ostpreußen geboren. Als ich geboren wurde, war sie schon 76 Jahre alt und wohnte im Haus ihrer Tochter, meiner Oma. Uroma Marie bewohnte ein kleines Zimmer im oberen Stockwerk des kleinen Backsteinhauses an der Bahnstrecke in Wismar. Im Zimmer stand ein Bett, ein kleiner Tisch, ein dunkelbrauner Vitrinenschrank und ein Sessel. In dem Sessel saß meine Uroma die meiste Zeit des Tages. Weil sie nicht mehr gut zu Fuß war, kam sie nur zu den Mahlzeiten die schmale Treppe runter ins Erdgeschoss. Ich hab sie immer auf Plattdeutsch gerufen: "Ete kome!". Das sage ich heute noch zu meinen eigenen Kindern.
Ich weiß nicht, was sie in ihrem Zimmer den ganzen Tag gemacht hat. Sie hatte keinen Fernseher und ein Radio auch nicht. Sie konnte nicht mehr gut hören, weshalb man laut mit ihr reden mußte. Sie hatte hüftlanges Haar, was sie jeden Morgen zu einem langen dünnen Zopf flocht und daraus einen Dutt drehte. Nicht, daß ich sie je mit offenen Haaren gesehen hätte, sie war da sehr korrekt.
Beim Schreiben habe ich immernoch den Geruch ihres Zimmers in der Nase.
Manchmal bin ich zu ihr ins Zimmer geschlüpft. Sie hat sich immer sehr gefreut. Viel unterhalten haben wir uns nicht, aber ich durfte an ihren Schrank gehen und mir eine Katzenzunge aus der Schachtel nehmen. Eine! Die habe ich dann ganz langsam und mit Bedacht gelutscht. Ich weiß gar nicht so genau, wo meine Uroma diese Kostbarkeit herhatte, denn diese Schokolade gab es ja nur im "Westen". Die Packung sah auf alle Fälle damals schon genauso aus, wie heute. Das Bild durfte ich auch mal mitnehmen und hab es lange aufgehoben.
Seitdem sind diese Katzenzungen untrennbar mit meiner Uroma verbunden. Sie starb im Jahr 2000 kurz vor ihrem 100. Geburtstag.

17 Kommentare:

  1. An Katzenzungen kann ich mich auch erinnern. Waren immer was besonderes. Mein Bruder liebt sie noch immer heiß und innig. Ich nehme an, dass es sie in der DDR auch gab, woher sollte ich sie sonst kennen.
    LG
    Kerstin

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  2. ...ich habe gerade ein ganz wohliges Gefühl beim Lesen der Zeilen. Zum Einen weil es so schöne geschrieben ist - zum anderen weil ich an meine Uroma denken muss, die auch ein langes dünnes 'Duttzöpfchen hatte'. Einmal durfte ich ihr die Haare flechten - daran kann ich mich noch erinnern, als sei es gerade erst gestern gewesen.
    Liebe Grüße und einen schönen Tag
    C.

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  3. Eine wundervolle Erinnerung... so einfühlsam geschrieben.. wunderschön.. und ich hatte den Duft meiner Oma in der Nase und den Geschmack von Katzenzungen..danke schön...
    stephi

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  4. Gänsehaut, überall! Das Leben schreibt einfach die schönsten Geschichten!

    LG Sabine

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  5. Eine schöne Geschichte. Ich hatte früher eine "Schokoladenoma", die die Mutter des Stiefvaters meines Vaters war. Auch sie verbrachte ihre letzten Jahre in einem kleinen Zimmer im Haus ihres Sohnes. Immer, wenn wir dort zu Besuch waren, haben wir sie dort aufgesucht und immer durften wir uns aus einer Schublade eine Tafel Schokolade mit nach Hause nehmen. Ich weiß garnicht so genau, wann sie gestorben ist und wie sie eigentlich richtig hieß - bis heute spricht man nur von der Schokoladenoma. Die übrigens auch einen grauen Dutt hatte.
    LG, mona

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  6. Ich erinnere mich auch an die Katzenzungen. Und daß wir das Bild des Deckels lange aufgehoben haben. Aber ich glaube, das war schon nach der Wende.

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  7. An Katzenzungen in meiner Kindheit erinnere ich mich auch. Ich habe sie zur Kommunion geschenkt bekommen. Eine ganz besondere Leckerei.
    Du hast das sehr schön geschrieben mit deiner Uroma. Leider hatte ich nie eine Oma und schon gar keine Uroma. Aber meine Kinder haben "eine" Oma und die ist jetzt 90 und verteilt auch sehr gern Süßes;).
    GLG von
    Claudia

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  8. Wir haben die Katzenzungen immer als Geburtstagssüßigkeit von unserer Oma bekommen. Danke fürs Teilen Deiner schönen Erinnerung!

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  9. Katzenzungen untrennbar mit Erinnerungen an meine Omi verbunden. Ja, es gab diese auch im Osten, wie die Verpackung aussah ? Ich weiß es nicht mehr, aber sie waren etwas ganz besonderes, die gab es nur bei Oma:-)
    Sehr schöne Erinnerungen hast du an deine Uroma.
    An meine Uroma kann ich mich nicht mehr erinnern, dafür umso mehr an meine Oma:-))
    Katzenzungen gehören mit zu diesen Erinnerungen!
    Danke für diesen Post!
    LG Kathrin

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  10. Eine schöne Geschichte. Katzenzungen liegen hier auch im Schrank.

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  11. ich verbinde katzenzungen auch mit meiner oma. schon lustig. allerdings bin ich nie dahintergekommen, warum sie so heißen. ich finde sie sehen überhaupt nicht aus wie katzenzungen :)!

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  12. Eine sehr liebreizende Geschichte von Dir und Marie!
    Liebe Grüße

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  13. Also Katzenzungen und Uroma gehören bei mir in der Erinnerung auch ganz eng zusammen! Die Uroma mit einem dünnen silbergrauen Zöpfchendutt hatte ich auch, und die habe ich einmal in der Woche mit meiner Oma besucht. Da war ich so ca. 4 oder 5 Jahre alt! Und zur Belohnung nach dem Fußmarsch (so ca 45 Minuten) an der Omahand gab's dann für mich 2 Katzenzungen!
    Schönen Dank für die Erinnerung!
    Liebe Grüße
    Petra ;o)

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  14. Ich glaube die gab es im "Delikat Laden":)

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  15. Oh ja Katzenzungen - Ich hab sie auch geliebt und lange nicht mehr gegessen. Aber ich spüre noch immer noch ihren zarten Schmelz auf der ZUnge und am Gaumen. Bei uns waren sie auch etwas Besonderes, wenn sie der liebe "Westbesuch" mitbrachte.
    Ich wünsch Euch ein schönes Wochenende - herzliche Grüße von Marlene

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  16. Oh ja, in unserer Familie haben sie auch eine große Bedeutung und es gibt sie andauernd. Mein Vater hat meine Mutter damals durch Katzenzungen auf ner Party kennengelernt. Ihre am Tisch waren alle und da sie so versessen drauf war hat sie mal am Nachbartisch gefragt...
    Den Heiratsantrag gabs später natürlich auch bei Kerzenschein und Katzenzungen.
    *haaach*

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  17. Katzenzungen gab es immer Weihnachten von Oma.

    Und wenn man sie heute selber kauft oder von jemand anderen geschenkt bekommt, denn Oma gibt es nicht mehr, schmecken sie nur halb so gut.

    Gruß
    Simone

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